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Michael Lingner

Zeichnungen als 'Rezepte'

Die Auflösung der traditionellen Kunstgattungen Malerei, Plastik und Graphik durch ihre von dadaistischen Aktionen ebenso wie von frühromantischen Ideen (1) inspirierte Vereinigung untereinander als auch mit den anderen Künsten (z. B. der Poesie und Musik) ist ein wesentliches Charakteristikum für die Kunst der 60er Jahre unseres Jahrhunderts. Umso bemerkenswerter erscheint es, daß die Graphik als gesonderte Gattung dennoch sich nicht nur bewahrt sondern sogar insofern entwickelt hat, als sie heute zwei eigenständige Kunstformen unter sich begreift, nämlich die Druckgraphik und die Handzeichnung. Während die Druckgraphik ohnehin infolge der immer perfekter werdenden Reproduktionstechniken und aufgrund ihrer kommerziellen Verwertungsmöglichkeiten prosperiert, hat die hervorragende Bedeutung der Handzeichnung überwiegend immanent künstlerische Ursachen. Die Tendenz der zeitgenössischen Kunst zu prozesshaften, prinzipiell unabgeschlossenen Arbeiten, deren zeitliche Organisationsform eher intellektuelle Konzentration als unmittelbar sinnliche Sensibilität vom Betrachter fordert, korrespondiert einzigartig mit Wesensmerkmalen des Zeichnerischen. Die der Zeichnung als elementare Bewegungsspur zugrundeliegende Linie zum Beispiel, welche in der Natur allenfalls als Grenz- und Richtungsphänomen zu entdecken ist, übertrifft in ihrem Abstraktionsvermögen alle anderen bildnerischen Mittel. Da jede Abstraktion ein Reduzieren der Anschaulichkeit bedeutet, sind der Zeichnung Offenheit und hochgradige Unbestimmtheit wesenseigen. Unternimmt es der Betrachter solche gleichsam als Appell fungierende 'Leerstellen' gedanklich zu konkretisieren, vermag ästhetische Erfahrung, so wie sie die zeitgenössische Kunst intendiert - sich als Reflexionsprozess zu entfalten.

Aus dem hohen Abstraktionsgrad und der damit einhergehenden mimetischen Unanschaulichkeit des Linearen resultiert indes nicht nur die der Zeichnung innewohnende Appellstruktur.Vielmehr ermöglicht das Vermögen der zeichnerischen Mittel zur Abstraktion immer schon auch eine Verallgemeinerung der zeichnerischen Mittel selber. Deswegen haben sich gerade im Medium der Zeichnung malerische und plastische Vorstellungen ausformen können, in denen die Kategorien konventioneller Malerei und Plastik sich aufheben. Diese gattungsübergreifenden, universellen Gestaltungsmöglichkeiten zeitgenössischer Zeichnungskunst, die anknüpfen können an der im 19. Jahrhundert ausgebildeten Tradition einer "Ästhetik des Skizzenhaften", (2) haben für die Vereinigung der künstlerischen Gattungen in den 60er Jahren eine unersetzbare katalysierende Funktion erfüllt. Die daraus erwachsene gegenwärtige Wertschätzung der Zeichnung sei mit dem ebenso plakativen wie provokativen Satz illustriert, daß "die moderne Zeichnung das Leichentuch der traditionellen Malerei ..." (3) und - so darf wohl hinzugefügt werden - der traditionellen Plastik ist.

Historisch betrachtet ist die Vorrangstellung der Zeichnung, wie sie in etlichen wichtigen Ausstellungen der vergangenen Jahre sich dokumentiert hat (4), überaus erstaunlich. Erst mit der gesteigerten Produktion und weiteren Verbreitung des Papiers, das seit Beginn des 14. Jahrhunderts das kostbare Pergament als Schreib- und Zeichengrund verdrängt, existieren die materialen Voraussetzungen dafür, daß sich aus vorgeschichtlichen Ritz- und Felszeichnungen über das Zeichnen auf wieder löschbaren Holz-, Wachs- und Schiefertafeln überhaupt die neuzeitliche Auffassung der Zeichnung als eines disponiblen, prinzipiell identifizierbaren Einzelblattes entwickeln kann. Doch geht der entscheidende Impuls zur neuzeitlichen Entwicklung der Zeichnung vom Wandel der künstlerischen Voraussetzungen aus.

Die Kunst der Frührenaissance verharrt nicht wie die des Mittelalters in der Übernahme oder Variation eines tradierten Repertoires formaler Typisierungen, sondern sucht ihre Formen in Annäherung an die wirklich anschaubare Natur der Dinge zu finden. Die dazu betriebenen Studien nach der Natur offenbaren Auffassungsunterschiede zwischen den Künstlern in der Formfindung, die dadurch, daß sie recht deutlich auf die jeweilige Individualität des Künstlers verweisen, ein entsprechendes Interesse an der künstlerischen Eigenart und Einmaligkeit wecken. Diese bis dahin in einem nicht gekannten Maß individualisierte Kunstproduktion und -rezeption ist die eigentliche Ursache dafür, daß Zeichnungen nicht mehr nur zur Überlieferung des Formrepertoires der mittelalterlichen Bauhütten in "Musterbüchern" zusammengefaßt oder gar wie die Wandvorzeichnungen für Fresken (die sog. Sinopien) in deren fortschreitender Vollendung wieder völlig überdeckt werden, sondern als unmittelbar schöpferischer Ausdruck der individuellen künstlerischen Idee zunehmend geschätzt und gesammelt werden. Für einen solchen, von den Kunsttheoretikern der Renaissance (z. B. von Vasari) zum Ursprung aller Kunst erhobenen "disegno" - dieser Begriff bezeichnet sowohl die ästhetische Idee wie das einzelne Blatt - ist wohl zum ersten Mal 1445 eine separate Honorierung erfolgt und im gleichen Jahrhundert die erste Prägung mit einer Sammlermarke gesichert?

Freilich darf diese im 15. Jahrhundert vorherrschend in Florenz sich vollziehende substantielle Umwertung des Status der Zeichnung nicht darüber hinwegtäuschen, daß nur wenige Zeichnungen jener Zeit schon um ihrer selbst willen geschaffen worden sind. "Die meisten verdanken ihr Dasein einem außerhalb liegenden Zweck" und gelten "entsprechend einem seit der Antike gültigen Begriff des "perfectum" ... als bloße Stationen auf dem Weg zur Vollendung." (6) Im allgemeinen kann für die Entstehungsgeschichte eines Bildes oder einer Skulptur eine Abfolge angenommen werden, die mit Kompositionsskizzen beginnt, perspektivische und Proportionsstudien zur Klärung des Bildaufbaus folgen läßt, in Bewegungsstudien, Draperie- und Detailzeichnungen die Einzelheiten fixiert und mit einer aus diesen Versuchen gefolgerten endgültigen Entwurfszeichnung endet. Ausnahmslos handelt es sich dabei um zweckbestimmte, also heteronome, an bestimmte Vorhaben gebundene Zeichnungen, die keinesfalls als ungebundene, selbstständige, also autonome Zeichnungen produziert, dennoch aber bereits zu ihrer Entstehungszeit und erst recht hernach als solche angeschaut worden sind und überdies gegebenenfalls eine entsprechende Veränderung erfahren haben.

Obwohl selbst am Anfang der neuzeitlichen Zeichnungskunst auch ausgesprochen autonom anmutende Arbeiten besonders im Genre der Porträtzeichnungen auffindbar sind - z. B. hat Michelangelo wohl eigens zu Geschenkzwecken einige von Vasari als "test divine" (= göttliche Köpfe) gerühmte Porträts gezeichnet (8) - und obwohl die formalen Grenzen zwischen den noch streng zweckgebundenen und schon eher selbstständigen Zeichnungen spätestens im 17. Jahrhundert von Rembrandt vollends verwischt worden sind, gewinnt die Zeichnung erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch "das große Dreigestirn Cézanne, Seurat, Van Gogh" (9) absolute Autonomie. Denn werden für die Autonomie der Zeichnung neben der völligen Ungebundenheit als weitere klassische Kriterien zugrundegelegt, daß sie eine eigengesetzliche 'Bildmäßigkeit' erreicht und zu einer eigenständigen Gattung sich ausbildet, dann können all diese Kriterien erstmalig unzweifelhaft dort als erfüllt gelten, wo die Kunst insgesamt von jeglicher reproduktiven Funktion sich zu lösen beginnt, um in ihren Formen nur noch "des Kunstwerks urinnerstem Einheitswillen zu gehorchen." (10) Daß für die dazu notwendige Abstraktion von der Erscheinungswelt gerade das Medium der Zeichnung prädestiniert war, dies leuchtet in Vergegenwärtigung der oben beschriebenen Funktionen der Linie unmittelbar ein.

Die ausgestellten Zeichnungen ästhetischer Erfahrung zu erschließen, sei es durch den Versuch sie mittels thematischer Einteilung didaktisierend zu differenzieren, oder vermöge intuitiver Einfühlung kongenialisch zu interpretieren, soll hier nicht unternommen werden. Denn entweder würde dann oktroyiert, ästhetische Erfahrungen in ihrer Totalität sei teilbar, oder aber es würde suggeriert, daß ästhetische Erfahrung durch begriffliche Explikation ersetzbar sei. Dementgegen ist im folgenden Vermittlungsversuch intendiert, die abstrakt-begriffliche Anstrengung auf das allen Arbeiten Gemeinsame zu richten, um die durch solche kategoriale Vorbildung erst ermöglichte konkrete Erfahrung des Besonderen einer jeden Arbeit ganz der ästhetischen Anstrengung des Betrachters zu überlassen. Mit diesem Vorsatz ergibt sich aus dem historischen Exkurs als dem gewissesten Anknüpfungspunkt zur Auffindung möglicher Gemeinsamkeiten unter den ausgestellten Zeichnungen die - wie wir sehen werden - aufschlußreiche Fragestellung, ob sie als heteronome oder als autonome Zeichnungen zu betrachten sind.

Der erste Hinweis zur Untersuchung des Problems entdeckt sich in einer näheren Betrachtung des Titels der Ausstellung. Wenn der eher ungewöhnliche Titel "Mit zeichnerischen Mitteln gemacht" nicht bloß die Tautologie bedeuten soll, daß mit zeichnerischen Mitteln Zeichnungen gemacht werden, dann ist er offenbar nur so zu interpretieren, daß dasjenige, was die ausstellenden Künstler mit zeichnerischen Mitteln hervorgebracht haben, eben mehr als nur den Charakter einer Zeichnung trägt. Wird aus dieser sinnvollen, mit den Intentionen der Künstler wohl korrespondierenden Hypothese weiter gefolgert, daß die zeichnerischen Mittel nicht mehr in der vollendeten Zeichnung ihren Zweck erfüllen sondern in etwas Anderem, das jenseits der eigentlichen Zeichnung liegt, dann haben so, wie den Künstlern die zeichnerischen Mittel zur Hervorbringung der Zeichnungen als Mittel dienten, die Zeichnungen ihrerseits nun als Mittel zu fungieren für etwas, das sie transzendiert. Auch ohne daß zunächst dieses 'Etwas' näher bestimmt werden müßte, kann aus dieser nicht auf sie selbst bezogen sondern vermittelnden Funktion mit Gewißheit auf den heteronomen Charakter der ausgestellten Zeichnungen geschlossen werden.

Während freilich die Heteronomie bei den Zeichnungen vergangener Jahrhunderte in ihrer Unvollendetheit, Widersprüchlichkeit und Zufälligkeit, d. h. in einer mehr oder minder deutlich ausgeprägten aber durchweg dominierenden Spontanietät sich manifestiert, trifft sie bei den vorliegenden Arbeiten dagegen in hoher Rationalität in Erscheinung, wie etwa das Spekulative, Logisch-Systematische und Konstruierte es sind. Da indes der Grad des "perfectum", nach dem die 'Bildmäßigkeit' eines ästhetischen Gegenstandes sich bestimmt, von jenen Zeichnungen aus den Anfängen neuzeitlicher Zeichnungskunst kompositionell 'noch nicht erlangt,' von den ausgestellten Zeichnungen aber konzeptuell schon wieder überschritten ist, genügen - wie die historischen - auch die zeitgenössischen Zeichnungen den klassischen an ein autonomes Werk gestellten Kriterien nicht.

Scheinen in solcher Perspektive betrachtet die ausgestellten Zeichnungen absolut heteronom zu sein, so offenbaren sich in weiterer Vergleichung mit dem historischen Begriff der heteronomen Zeichnung an ihnen andererseits auch Merkmale der Autonomie. Wenn ungeachtet ihrer Wertschätzung als eines ideenschöpferischen Mediums der ursprünglichen heteronomen Zeichnung, wie sie im Begriff der ,,disegno" vorgestellt wird, dennoch die Bild - d. h. Werkhaftigkeit wie der Rang einer eigenständigen Gattung nicht zuerkannt wurde, so war dies ja darin begründet, daß die ihr innewohnenden ästhetischen Ideen immer auf ein anderes, übergeordnetes künstlerisches Vorhaben bezogen blieben und allererst in dessen Realisierung sich zum wirklichen Werk materialisierten. Dagegen zielen die ausgestellten Zeichnungen, obwohl in ihnen ebenfalls die Vermittlung ästhetischer Ideen zum Gestaltungsprinzip erhoben ist, keinesfalls auf ein anderes, vom Künstler erst noch zu materialisierendes Werk und vermögen gerade deswegen ihren Eigenwert zu behaupten. Als unmittelbare Ausformung ungebundener ästhetischer Ideen in einer nicht nur eigenständigen sondern sogar hervorragenden Gattung erfüllen die vorliegenden Zeichnungen durchaus die traditionell geltenden Kriterien der Autonomie.

Freilich werden durch diese Widersprüchlichkeit, daß die ausgestellten Zeichnungen einerseits heteronom sind, insofern sie in ihrer weder bild- noch werkhaften Form die Erfüllung des Kunstanspruchs an ein Anderes, sie Transzendierendes verweisen, und doch andererseits auch autonom sind, als sie diese Transzendierung nicht im Entwurf eines vom Künstler zu realisierenden Werkes zu leisten vermögen, - der konventionellen Kunstanschauung die Möglichkeit ästhetischer Erfahrung überaus erschwert. Wird der Versuch einer Auflösung dieses Widerspruchs, daß die Zeichnungen - um es pointiert zu formulieren - einerseits wie ein heteronomer Werk-Entwurf und andererseits wie ein autonomes Werk sich präsentieren, von der Problematik des Betrachters geleitet, so ist offenbar dem Begriff des Werkes eine wesentliche Bedeutung beizumessen.

Das Kunstwerk als der eigentliche 'Ort' ästhetischer Erfahrung wird von der klassischen Kunsttheorie als eine aus "dinglichem Unterbau" und ,,ästhetischem Oberbau" (11) kraft künstlerischer Formung ins Werk gesetzte materiale Einheit begriffen, die dem Betrachter sinnlich wahrnehmbar gegeben ist. Daß das Kunstwerk mit dem vom Künstler geschaffenen ästhetischen Gegenstand indentifizierbar ist und der Betrachter in der Anschauung dieses ästhetischen Gegenstandes dem Werk unmittelbar zu begegnen vermag, ist die für allzu selbstverständlich gehaltene Konsequenz dieses traditionellen, klassisch orientierten Werkbegriffs. Indessen hat sich in der von frühromantischen Ideen am Anfang des 19. Jahrhunderts angelegten und im französischen Impressionismus formal ausgebildeten Tendenz der Kunst zur Abstraktion von der gegenständlichen Erscheinungswelt die Auflösung und - in den 60er Jahren unseres Jahrhunderts - schließlich die völlige Entzweiung der klassischen Werk-Einheit vollzogen. Die aus Dinglichem und Ästhetischem vom Künstler unauflöslich gestiftete Einheit des klassischen Werkes zerfällt in diesem Entwicklungsprozess, der hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet, sondern nur als zunehmende Entmaterialisierung und Vergeistigung der Kunst bezeichnet werden kann, in einem vom Künstler hervorgebrachten dinglichen Teil, der Mittelcharakter hat, und in einen davon abgelösten allererst vom Betrachter zu verwirklichenden ästhetischen Teil, dem Werkcharakter eignen kann. Ein derart nicht kraft künstlerischer Formung gegebenes, stattdessen dem Betrachter zur Verwirklichung aufgegebenes Werk existiert freilich nicht objektiv als ein gegenständlich-materiales Gebilde in der Anschauung, sondern subjektiv als ein mental-immaterieller Prozess der Reflexion, der durch das Werk des Künstlers initiiert wird. In dem Maße wie es dem Betrachter gelingt, die von seiner Phantasie potenzierte Vielfalt des Reflexionsprozesses vermöge seines Verstandes in einer einzigen Vorstellung zu verdichten, erfährt er sie ästhetisch, d. h. als WERK. (12)

Ist aus dieser problemgeschichtlich rekonstruierten Umformulierung des klassischen Werkbegriffs für die vorliegenden Zeichnungen die Konsequenz zu ziehen, daß sie wegen der weder bild- noch werkhaften Form die geforderte Transzendierung ihrer selbst nicht wie die ursprünglichen heteronomen Zeichnungen in dem vom Künstler material hervorzubringende Werk erfüllen können, sondern in der Verwirklichung des mentalen, immateriellen WERKES, das vom Betrachter zu leisten ist, so offenbart dies gleichermaßen den produktiven Status des Betrachters wie es den heteronomen Charakter der Zeichnungen erhellt. Für diese Zeichnungen, die in einem ganz spezifischen Sinne heteronom sind, da sie dem Zweck, materiale Werke der Künstler zu projektieren, nicht dienen sondern vielmehr bezwecken, die Betrachter für die mentale Verwirklichung immaterieller WERKE zu instruieren, sei der - wie ich meine - in doppelter Bedeutung treffende Begriff der "rezeptiven Zeichnung" bzw. des "Rezepts" (13) eingeführt. Zum einen sind die Zeichnungen "rezeptiv," weil sie als WERK nicht unabhängig von der Aufnahme (= Rezeption) durch den Betrachter (= Rezipient) existieren können; zum anderen fungieren sie in der gleichsam methodischen Anleitung zur Transzendierung ihrer selbst im WERK durch den Rezipienten als "Rezept" für den Akt der Rezeption.

Allein die konkrete ästhetische Erprobung der Besonderheiten jedes einzelnen der ausgestellten "Rezepte" wird indessen erweisen, ob ihre Verwirklichung als WERK rein gedanklich zu gelingen vermag, oder ob nicht der Rezipient auch real handelnd zum Produzenten werden müßte. (14)

ANMERKUNGEN:

(1) Die insbesondere von Novalis, F. Schlegel und L. Tieck formulierten Ideen zur Notwendigkeit einer Vereinigung der Künste hat bereits im 19. Jahrhundert P. O. Runge aufgegriffen und in einzigartiger Weise zu verwirklichen gesucht. Dabei ist der Zeichnung (z. B. den Konstruktionszeichnungen zu den "Vier Zeiten") eine entscheidende Funktion zugekommen. Siehe dazu: M. Lingner: "Die Musikalisierung der Malerei bei P. O. Runge. Zur Vorgeschichte der Vergeistigung von Kunst", in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft Bd. 24/1979.

(2) Siehe dazu: A. Boime: "The Academy and French Painting in the 19th century", London 1971; Chapter IX: "The Aesthetics of the Sketch."

(3) I. Pan, in: Katalog "3. Internationale der Zeichnung", Darmstadt 1970; zit. nach W. Schmied: "Formen und Funktionen der Zeichnung in den sechziger und siebziger Jahren", in: Katalog "documenta VI" Bd. 3, S. 12, Kassel 1977.

(4) So z. B.: "Drawing towards Painting", 1967; "Diagrams and Drawings," 1972; "Drawing for Sculpture", 1973; "Line as Language", 1974; "Functies von Tekeningen", 1975; "Drawing Now," 1976; documenta VI, 1977 (Abtig. Handzeichnungen).

(5) Nach R. Oertel: "Wandmalerei und Zeichnung in Italien. Die Anfänge der Entwurfszeichnung", in: Mitteilungen des kunsthistorischen Instituts Florenz V, 1940.

(6) A. Perrig: "Michelangelo Studien l. Michelangelo und die Zeichnungswissenschaft - ein methodologischer Versuch", Frankfurt, Bern 1979; S. 9.

(7) A. Perrig a.a.O. S. 68 "Die meisten (Zeichnungen) wurden, sei es von späteren Sammlern, sei es von den Zeichnern selbst, in irgendeiner Weise beschnitten - viele davon in der offenkundigen Absicht, der Zeichnung Bildcharakter auch dort zu verleihen, wo sie ihn von Natur aus gar nicht haben kann."

(8) Wie sehr die Porträtzeichnung ein begehrtes Objekt war, verdeutlichen auch die 98 Bildnisse, die A. Dürer auf seiner niederländischen Reise gezeichnet hat.

(9) W. Haftmann: "Einführung", in Katalog documenta II 1964

(10) D.-H. Kahnweiler: "Der Gegenstand der Ästhetik", München 1971; S. 58

(11) Die Unterscheidung von Dinglichen und Ästhetischer folgt Martin Heidegger: "Der Ursprung des Kunstwerkes", Stuttgart 1960.

(12) Als theoretischen Begriff habe meines Wissens ich den Begriff des "immateriellen WERKES" eingeführt; s. M. Lingner: "Selbstreflexion als Konstituens immaterieller WERKE," in: Akten zum Internationalen Kongreß für Ästhetik, Darmstadt 1976.

(13) Der Begriff "Rezept" ist - wenn auch in einem anderen Sinn von P. Klee übernommen: "Der Begriff 'Rezept' (Rezeptivbewegung) bezeichnet die Art der Aufnahme eines Gebildes durch das Auge." P. Klee: "Das bildnerische Denken", Basel 1956 S. 371.

(14) Die ausgestellten Zeichnungen sind danach zu unterscheiden, ob sie eher als konzeptionelle Anleitungen zur WERK-bildung, oder mehr als Handlungsanweisungen zu verstehen sind. In diesem Sinn stehen sich die Arbeiten von Barry und Walther polar gegenüber.

Der Autor dieses Textes (geb. 1950) arbeitet nach einem Studium an der Kunsthochschule in Hamburg (1968 - 73) und einem Zweitstudium in Philosophie und Kunstgeschichte (1973 - 78) als Künstler und Kunstwissenschaftler in Hamburg.


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