ask23 > Lingner: Über Autonomie in der Kunst und ästhetisches Handeln

Michael Lingner

Über Autonomie in der Kunst und ästhetisches Handeln

Dass Wirtschaftsunternehmen und -repräsentanten in zunehmender und vielfältiger Weise großen Einfluss auf das Geschehen in der Kunst nehmen, ist inzwischen eine ebenso banale wie leider oft auch fatale Tatsache. Die Analyse und Kritik der negativen Auswirkungen drohender totaler Verwirtschaftlichung der Kunst sind immer wieder zwar präzise und überzeugend aber faktisch letztlich folgenlos formuliert worden. Es allerdings erstaunlich oder empörend zu finden, dass die Wirtschaft von jeglicher Argumentation unbeeindruckt bleibt und sich allenfalls insoweit darauf einlässt, wie es ihr für das noch erfolgreichere Operieren im Kunstbereich nützt, wäre freilich naiv. Was sonst wäre die Erwartung an eine Wirtschaft, zu deren Wesen es gehört zu expandieren, die eigenen Interessen durchzusetzen und andere Angebote zu verdrängen, als dass sie nach erfolgter Eroberung der Politik nun die Ökonomisierung der anderen Kernbereiche unserer Gesellschaft betreibt - unter anderem auch der Kunst.

Wer nicht auf die eher unwahrscheinliche Weisheit der Wirtschaft und ihren Willen zur Selbstbeschränkung warten mag, sollte darum seine Kritik an deren Expansionismus besser direkt an die von weitgehender Ökonomisierung betroffenen gesellschaftlichen Teilbereiche richten. Dieser Einsicht folgend hat jeder, dessen Handeln im Kunstsystem zählt, zuallererst sich selbst zu fragen, wie und warum es geschehen konnte, dass wirtschaftliche Ordnungsvorstellungen eine derartige Dominanz über künstlerische Wertvorstellungen haben erlangen können und was gegen diese klägliche Kapitulation zu unternehmen ist. Intendiert ist damit, dass die Kunst zur Besinnung auf die Regeln und Werte der ihr eigenen Logik und Kultur kommt, damit die wesentlichen sie betreffenden Entscheidungen primär nach internen Kriterien erfolgen können - insbesondere bei der künstlerischen Produktion. Denn aus wirtschaftlichen Erwägungen lässt sich zwar manchmal ein gutes Geschäft aber nie gute Kunst machen.

Aus Michael Lingner: Freundliche Übernahme oder Qualitätssteigerung durch Eigenverantwortung. Die Kunst(-Förderung) als Exempel


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