ask23 > Schulz: Der Schlüssel zum Raum «k 23» liegt gar nicht beim Pförtner!

Frank Schulz

Der Schlüssel zum Raum «k 23» liegt gar nicht beim Pförtner!

KUNST + UNTERRICHT HEFT 246/247/2000

Michael Lingner / Pierangelo Maset / Hubert Sowa (Hg. ): ästhetisches dasein. Perspektiven einer performativen und pragmatischen Kultur im öffentlichen Raum (k 23). Hamburg: material Verlag 1999, ISBN 3932395077

Ein Buch? Ja, aber auch ein Buch-Objekt. Es handelt nicht nur vom «ästhetischen dasein», sondern es ist selbst auf bemerkenswerte Weise ästhetisch da. Im A5-Format broschiert, 112 Seiten auf festem gelblichem Papier, reichlich Text, aber durch ein unkonventionelles Layout kein Gedanke an «Bleiwüste», ausklappbarer Glanzumschlag mit Fotos, die auf einen Ort namens «k 23» verweisen. Dazu drei Leporellos mit farbigem Bildmaterial auf feinem Karton zu den Beiträgen der Herausgeber. Alles zusammen im Schuber (kein gewöhnlicher, sondern einer mit «Rückenausschnitt»!). Wer so etwas macht? Ulf Treger, der für diese durchdachte und gediegene Gestaltung verantwortlich zeichnet. Ein echtes Handlungsobjekt. Ich baue die Leporellos vor mir auf, lese im Buch, vergleiche, probiere: Wie herum kommt das Buch in den Schuber? Welche Ausschnitte des Buches werden dabei sichtbar?

Buchinhalt und äußere Form bilden eine gelungene Einheit: Es geht den Herausgebern um Kunstformen der «entwickelten Moderne», bei denen nicht vornehmlich mehr die «Werkautonomie», die «materiell dastehende Werkform» zählt, sondern das «werkhafte Handeln», die sich im Umgang realisierende Handlung/Wirkung. Das wird am konkreten Beispiel untersucht: und zwar des Seminarraumes «k 23» von Michael Lingner an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. In seinem Textbeitrag zeigt er auf, wie das Autonomie-Konzept der modernen Kunst in die Krise geraten ist, aber letztlich nicht gegen die Zweckmäßigkeit von Kunst spricht. Da Kunst ohnehin nie frei von fremden Zweckbestimmungen ist, solle sie sich diese nicht von außen aufzwingen lassen, sondern sich selbst autonom setzen. Der Künstler werde so - wie es Peter Weibel kürzlich formulierte - dem Architekten, dem Wissenschaftler, dem Sozialhelfer, dem Umweltschützer Konkurrenz machen. Er schaffe trotzdem Kunst, «wenn er dabei nach kulturellen und ästhetischen Regeln und Werten entscheidet, statt nach den Maximen des Wirtschaftssystems» (Michael Lingner). Im Leporello zu seinem Beitrag wird die Nutzung des Raum «k 23» durch Studierende unter dem Thema «Gebrauchskunst oder die Kunst des Gebrauchs» (ein künstlerisches Projekt für ästhetisches Handeln) veranschaulicht. Auch Roger Behrens und Rahel Puffert setzen sich in ihren Texten mit dem «Da-und Hiersein» und den Formen entsprechenden Handelns im Raum «k 23» auseinander. Hubert Sowa thematisiert in seinem Beitrag die «hermeneutische Phänomenologie eines Seminar-und Arbeitsraumes» und beschreibt «situatives Dasein als Handlungsvollzug». Das Leporello zeigt dazu unterschiedlichste Handlungsräume im wahrsten wie im übertragenen Sinne des Wortes. Und im Beitrag von Pierangelo Maset wird die durchaus spannende Frage nach dem Unterschied zwischen «kunsthaftem» und «nicht-kunsthaftem» Handeln aufgeworfen und diskutiert. Er geht von der Idee aus, die Kunsthochschule unter einer veränderten Perspektive zu beobachten, und zwar in der Position des Pförtners. Maset stellt die weitergehende Frage, ob die Tätigkeit des Pförtners selbst zur künstlerischen werden könne oder bzw. Kunst ermögliche. So gesehen liegt der Schlüssel für den Raum «k 23» beim Pförtner. Aber so einfach ist das nicht. Man wird wohl ein bisschen suchen müssen. Finden kann man den Schlüssel überall. Ich wollte es kaum glauben: Er passt auch für Raum «GSH 213».


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