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Kooperative Kunstpraxis

Die Indifferenz der Vermittlung und ihre Auflösung im thematischen Problemzusammenhang von Kunstwerken

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Kooperative Kunstpraxis

Die Indifferenz der Vermittlung und ihre Auflösung im thematischen Problemzusammenhang von Kunstwerken

Jede Form der Kunstvermittlung beruht auf der Behauptung, dass Kunstwerke erklärungsbedürftig sind. Diese Behauptung bedarf zunächst einmal selbst der Erklärung, denn jedes Kunstwerk ist an sich bereits ein Vermittlungsversuch des Künstlers, um aus der subjektiven Einsamkeit der inneren Weltbetrachtung heraus zu treten. Der Gedanke der Vermittlung ist eng mit dem Zweifel an einer universalen Gültigkeit der Werkform verbunden und versucht die nicht bestehende oder verloren gegangene Gültigkeit des Werkes in einem Kontext herzustellen.

Alle Kunstwerke sind subjektive Ausdrucksformen innerhalb gesellschaftlicher Verhältnisse. Mit jeder Veröffentlichung eines Kunstwerkes stellt dessen Autor die Behauptung auf, das veröffentlichte Kunstwerk sei auch für andere von Interesse. Die Behauptung eines öffentlichen Interesses ist das Motiv jeder Veröffentlichung. Andernfalls ist die Bekanntgabe eines Kunstwerks eine irrtümliche Behauptung.

Der Abschluss des Arbeitsprozesses an einem Kunstwerk ist dessen erste Veröffentlichung. Der Autor beginnt von diesem Zeitpunkt an das Werk als Rezipient zu betrachten. Dieser Moment der ersten Anschauung durch den Autor ist die authentischste Veröffentlichungsform eines Werkes, weil sie dem Autor die alleinige Gelegenheit zur Bestimmung seines Werkes gibt. Jede weitere Veröffentlichung des Werkes bedeutet dessen Vermittlung. Es gehört zum Wesen der Vermittlung, dass Authentisches nicht selbstständig spricht, sondern durch andere zu Sprache kommt.

Das Kinderspiel „Stille Post“ ist mit dem Prozess der Vermittlung vergleichbar. Ein geflüstertes Wort wird von einem Mitspieler zum anderen weitergegeben. Man erfreut sich daran, dass der Letzte in der Kette von Mitspielern nicht mehr den ursprünglichen Informationsgehalt vermittelt bekommt. Indem das kommunizierte Wort seine Bedeutung wandelt, entsteht Indifferenz. Während im Fall des Stille-Post-Spiels die Entstehung von Indifferenz erkannt werden soll, ist es anderen Vermittlungsprozessen eigen, diese Indifferenz zu verbergen. Die vermeintlich gleiche Gültigkeit der authentischen und der vermittelten Aussage ist dann getragen von einer bereits bestehenden Gleichgültigkeit, die an Unterscheidungen nicht interessiert ist. Diese Gleichgültigkeit hat ihren Ursprung in einer subjektiven Voreingenommenheit, die sich gesellschaftlichen Ideologien verdankt.

Kunstproduktion kann sich zur herrschenden Ideologie unterschiedlich positionieren. Zum einen steht Kunstproduktion gleichgültig und bestätigend der gesellschaftsökonomischen Logik und den daraus hervorgehenden Verhältnissen gegenüber. Kunst legitimiert und konstituiert sich dann über fremde Repräsentationsabsichten. Das selbstbestimmte Handeln des Autors verschwindet in der Indifferenz von Machtverhältnissen.

Im zweiten Fall versucht der Autor durch sein Werk die vorherrschende Indifferenz zu differenzieren bis der Widerspruch zwischen der subjektiven Selbstbestimmung und den objektiven Verhältnissen zum Tragen kommt. Ausschließlich in diesem Fall wird Kunst nicht bloß ausgeübt. Anstatt dessen wird sie zu einer selbstbestimmten Praxis.

Nicht selten hat Kunstproduktion ihrerseits auf manifest gewordene Indifferenz innerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse reagiert. In der Regel geschah dies als Ausbruchversuch aus den vorherrschenden Konventionen. Tatsache ist aber auch, dass jede ästhetische Form ihre dauerhafte Gültigkeit in der Indifferenz der Verhältnisse verliert. Auch die Thematisierung dieser Indifferenz im Werk selbst steht in dem Verdacht, lediglich fragmentarische und in sich abgeschlossene Zeitzeugnisse einer künstlerischen Auseinandersetzung zu liefern.

Als Reaktion auf gesellschaftliche Widersprüche begegnet man vor allem zwei künstlerischen Haltungen: Die erste heißt Utopie. Utopische Vorstellungen versuchen von einem inneren kritischen Standpunkt des Subjektes aus das objektive Außen mitzubestimmen. Utopisches Denken verortet die Indifferenz in den realen Verhältnissen, bleibt jedoch zugleich auf die Hilflosigkeit des Einzelnen zurückgeworfen. Es entsteht Resignation, die unter bestimmten Umständen als Aktionismus oder Terrorismus in Erscheinung treten kann.

Die andere Haltung besteht in einer realistischen Sicht, die das eigene Motiv an den bestehenden Verhältnissen relativiert. Bestehenden Widersprüche werden als ein berechtigtes Scheitern an der Realität aufgefasst. Die Indifferenz verlagert sich aus den objektiven Verhältnisse in die subjektive Sphäre und äußert sich als Gleichgültigkeit, die den Problemen der Mitmenschen mit Satire und Zynismus begegnet. Weder in der utopisierenden noch in der realistisch-relativierenden Haltung kann Kunst gesellschaftliche Indifferenz auflösen. Ein tatsächliches Potential der Kunst besteht vielmehr in der Umfiktionalisierung und Umformung von Vorhandenem.

Durch die vorangegangenen Ausführungen über das Verhältnis von Kunst und gesellschaftlicher Indifferenz erscheinen die Bemühungen um eine Vermittlung von Kunstwerken als fragwürdig. Während Kunstwerke im Sinne des hier angedeuteten Kunstbegriffs Indifferenz aufzulösen suchen, entsteht Indifferenz nach dem Stille-Post-Prinzip im Prozess der Vermittlung.

Im Sinne einer Vermittlung abgeschlossener Werkformen läuft Kunstvermittlung tatsächlich Gefahr, Indifferenz zu erzeugen. Ein anderer Fall liegt vor, sobald der Werkbegriff auf die Vermittlung selbst ausgedehnt wird und es das Ziel der Vermittlung ist, die Aussage des Werkes über seinen inhaltlichen Gegenstand zu konkretisieren. Sobald wir annehmen, dass jedes Kunstwerk nicht bloß einen selbstreferentiellen, sondern auch einen thematischen und damit allgemeinen Problemzusammenhang verkörpert und wir den Vermittlungsschwerpunkt auf diesen verlegen, wird die Thematik des Kunstwerks und der damit verbundene Problemzusammenhang zum Gegenstand der Vermittlung. Wenn der thematische Bezugspunkt von Kunstwerk und Vermittlung ein Gegenstand allgemeinen Interesses ist, entspricht er der Forderung, dass die Veröffentlichung von Kunst die Behauptung ihres Beitrages zu einem öffentlichen Interesse ist. Die individuelle künstlerische Ausdrucksform ist dann eine Möglichkeitsform neben anderen Formen, die sich der Auseinandersetzung und Bearbeitung individueller und damit gesellschaftlicher Problemzusammenhänge widmen.

Jedes Gemeinwesen kann sich nur dann selbst erhalten, wenn es die Selbsterhaltung seiner Mitglieder sichert. Die Selbsterhaltung und die Sichtbarkeit der Individuen zu garantieren, ist ihrem öffentlichen Anspruch nach das Recht der Gemeinschaft und die Pflicht der Kunst. Andernfalls hätte die Kunst den Anspruch verloren, Individualität zu verkörpern.

Die Konkretisierung von Kunst und ihrer Vermittlung an gesellschaftlichen Problemzusammenhängen eröffnet ein breites Feld möglicher Auseinandersetzungen und Perspektiven. Erstens ist sie geeignet, dem Geniekult und der Inhaltslosigkeit in der Kunst eine sachliche Grundlage gegenüber zu stellen. Zweitens ermöglicht sie es aufzuzeigen, warum Kunstwerke sich nicht mehr selbst erklären und nur noch als Verweise auf Theoriegebäude zu verstehen sind. Drittens erklärt sie, wohin die fehlende Bereitschaft geführt hat, die kontextuelle Einbindung bei abgeschlossenen Werkvorstellungen mit zu kommunizieren, woraus die distanzierte Werk-Betrachter-Situation entstanden ist. Auch die Erhebung der Kunstvermittlung zur Vermittlungskunst findet hierin ihre Begründung. Denn nur die thematische Vermittlung von Kunst ermöglicht die Bildung eigenständiger, vom Kunstwerk unabhängiger Vermittlungsformen.

Zu den Kunstformen, die den Vermittlungsaspekt als dem Werk zugehörig behandeln, gehören partizipatorische Strategien. Diese gehen von einer Auflösung der traditionellen Werk- Betrachter- Beziehung aus, die sich durch eine eindimensionale, konsumistische und hierarchische Kommunikationsstruktur ausweist. Die Einbindung und Beteiligung von Teilöffentlichkeiten, die bis zur Mitautorenschaft am Projekt führen sollte, realisiert die Erweiterung des Werkbegriffs. Die Vermittler werden durch ihre Beteiligung zu Mitautoren und tragen Verantwortung innerhalb einer Projektform. Die nachfolgenden Projektdarstellungen sollen als praktische Erfahrungen mit dem beschriebenen theoretischen Zusammenhang gelesen werden.

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