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Stadtentwicklung durch Kultur - auch in der Hafencity?

querlight - Zeitschrift für kulturelle Initiativen

Heft Nr. 30 - 10/03

wachsende stadt:

Stadtentwicklung durch Kultur - auch in der Hafencity?

Auf Einladung von überNormalNull - Büro für Kunst Bauen Stadtentwicklung diskutierten Ende August Vertreter/innen aus Kultur, Politik und Immobilienwirtschaft über die Entwicklung der Hafencity in Hamburg. Die zentrale Frage war, welche Chancen für die Kultur und welche Potenziale für die spätere Hafencity der derzeitige Zwischenzustand des Ortes birgt. Den Einführungsvortrag hielt Klaus Overmeyer von Studio Urban Catalyst (siehe Artikel S.8).

Die Diskussion drehte sich um die Rolle und die Perspektiven von kulturellen Aktivitäten in der Stadtentwicklung. Bevor Klaus Overmeyer Konzepte temporärer Nutzung in Berlin, Amsterdam und Wien vorstellte, beschrieb Andreas Gleich-Kloevekorn die von überNormalNull entwickelte Strategie der Kulturellen Sukzession anhand von Beispielen aus der Praxis. Dies sind u. a. ein für die Kulturbehörde erstelltes KulturGutAchten, eine Machbarkeitsstudie für kulturelle (Zwischen-)Nutzungen im Gebiet der künftigen Hafencity Hamburg. Seit 2002 bereichert die musikalische Land-Art das Gebiet der Hafencity, in 2003 organisierte überNormalNull eine Hafensafari mit temporären Installationen und Führungen im Gebiet der Hafencity.

Der Baudezernent im Bezirk Hamburg-Mitte, Peter Gero, konstatierte, dass die Zeit reif sei für Temporäres aller Art - auch temporäre Architektur

böte neue Möglichkeiten. In seinem Bezirk sehe er einen vielfältigen Bedarf temporärer Zwischennutzungen - nicht nur in der Hafencity.

Siegfried Greve von der VIP Projekt GmbH, der als Projektentwickler, Investor und Initiator des Künstlerprojekts Ebene +14* in der City Nord konkrete Erfahrungen mit künstlerischer Nutzung von leer stehenden Gewerbeflächen gesammelt hat, betonte, dass nicht nur die Kunst die Wirtschaft brauche, sondern auch die Wirtschaft die Kunst. Kunst und Kultur brächten seiner Ansicht nach Wärme in die sonst kalte Wirtschaftswelt: »Seit wir das Projekt Ebene +14 gestartet haben, bekommen wir so viele Einladungen zu Vernissagen wie nie zuvor«. In der City Nord gäbe es seit langem Debatten über Belebung, Architektenwettbewerbe etc., zuletzt den Freiraumwettbewerb, aber nichts habe sich bisher real verändert. Für Siegfried Greve ist erst durch Ebene +14 wirklich etwas in Bewegung gekommen. Die City Nord sei positiv ins Gespräch gekommen und Menschen aus ganz Hamburg kämen zu den Veranstaltungen. Großes Lob käme auch von der Grundeigentümerversammlung der City Nord, aber finanziell beteiligen wolle sich niemand. Insgesamt bewertet der Investor das Projekt Ebene +14 als Imageaufwertung der Gesamtimmobilie und des Stadtteils und versteht es daher auch als langfristig angelegt -eine temporäre Zwischennutzung im Sinne eines »künstlerischen Trockenwohnens« sei ausdrücklich nicht geplant.

Auch Prof. Michael Lingner von der Hochschule für bildende Kunst profitiert mit dem Projekt Vor Ort von den günstigen Bedingungen für die Kunst in der City Nord. Bei seiner Forschung und Praxis zu interventionistischer Kunst und partizipativer Kultur erschienen ihm schon seit längerer Zeit Räumlichkeiten außerhalb der Hochschule für sinnvoll, da seiner Beobachtung nach auch seitens der Studierenden eine Tendenz bestehe, sich Arbeitsräume bzw. Ateliers außerhalb der Hochschule zu suchen, da sie als Arbeitsort unattraktiv scheine. Mit dem Projekt Vor Ort böte die Hochschule den Studierenden in der City Nord Arbeitsmöglichkeiten, die zwar mit der Hochschule verbunden seien, aber dennoch außerhalb lägen. Die Arbeitsinhalte setzten sich mit dem Ort, mit künstlerischen Interventionen in der City Nord auseinander. Sein Resümee nach einem Semester: »Es läuft sehr gut an!«

Die künstlerische Koordination des Projekts Ebene +14 lag in den Händen der »art agents - Galerie und Kunstprojekte«. Julia Sökeland von den art agents berichtet von einem großen Bedarf an Wohnateliers - es hätte viele Anfragen gegeben und die Ebene +14 in der City Nord sei schnell vermietet gewesen. Sicher hätte auch dazu beigetragen, dass es unterschiedliche Angebote gab: Räumlichkeiten im Erdgeschoss mit großen Schaufenstern und im ersten Obergeschoß dagegen (Wohn)Ateliers ohne Publikumseinblick.

Die Hamburger Künstlerin Anke Haarmann von der Gruppe tetrapak, deren Mitglieder sich als kulturelle Produzent/inn/en verstehen und unter dem Thema »ready2capture! HafenCity, ein urbaner Raum?« (siehe auch querlight Nr. 29/03, S.16-18) ein Projekt und eine Veröffentlichung erarbeitet haben, beklagt die schwierigen Rahmenbedingungen ihres Projekts in der Hafencity, tetrapak setzt sich kritisch mit der Hafencity auseinander - ready2capture! sammelt unterschiedliche Betrachtungsweisen des Stadtentwicklungsprojekts und stellt sie dar. Obwohl ready2captu-re in die Kunstbiennale ArtGenda 2002 eingebunden war und die Kulturbehörde sie unterstützt habe, wären ihnen lange Räume in der Hafencity verweigert worden, schließlich standen nur

sehr kurzfristig und eingeschränkt welche zur Verfügung.

Seit 20 Jahren betreibt der Komponist Willem Schulz Projekte im öffentlichen Raum. Mit dem Ersten Improvisierenden Streichorchester hat er im vergangenen Jahr auch für Hamburg eine musikalische LandArt entwickelt. Die Hafencity inspiriert ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung. Für ihn lässt sich das Prozessuale der Stadtentwicklung auch mit künstlerischen Mitteln sichtbar machen. Auch er sieht sich mit behindernden Rahmenbedingungen konfrontiert: für die Kunst werden die (Spiel-)Räume enger, Zäune werden gezogen, Flächen privatisiert. Die Zugänge für eine musikalischen LandArt müssen »erlaubt« werden - dies bezieht er ebenso in seine künstlerische Auseinandersetzung mit ein - es ist ein Aspekt des Ortes Hafencity.

Malte S. Ullrich -beschreibt für über-NormalNull die Rolle als Moderator im Prozess. Zentral ist die Entwicklung und Umsetzung der Strategie der Kulturellen Sukzession für das Gebiet der Hafencity Hamburg. überNormalNull formuliert Zielrichtungen, entwickelt Konzepte und Strategien, arbeitet in Netzwerken und bringt die unterschiedlichsten Akteure zusammen, begleitet eine Entwicklung langfristig Eine Meldung aus dem Publikum: einer der ersten Bewohner des Geländes der Hafencity, im alten Gebäude der Firma Heinemann, ist begeistert, auch seine Kinder fühlen sich wohl hier.

Die Diskussion moderierte Yvonne Fietz, Landesverband Soziokultur Hamburg.

* Anmerkung zum Projekt Ebene+14 in der City Nord: Das Ehepaar Susanne und Siegfried Greve (nicht verwandt mit Helmut und Hannelore Greve) haben im März 2002 einen Gebäudekomplex mit ca. 20 000 qm Grundfläche gekauft. Davon sind ca. 5000 qm Gewerbefläche, davon wurden 1000 qm als Wohnateliers und 2500 qm an das Kunstprojekt Ebene+14 (diverse Galerien, Lounge etc.) vermietet.



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