Adolf Hölzel
Wie mir die Notwendigkeit,


Wie mir die Notwendigkeit, die wichtigen Punkte im Bilde mit der Begrenzung zu verbinden, ihnen auf diese Weise eine große Festigkeit zu verleihen, klar wurde[,] so ergab sich auf ganz natürliche Weise weiteres. Dabei ist immer der Hauptgrundsatz festzuhalten, daß alles im Inneren des Bildes sich Abspielende eben mit der Begrenzung in steter Verbindung zu halten ist. Wir können dazu als wichtig hinstellen, daß es gut ist, daß schon die begrenzenden Linien zueinander in einem guten Verhältniss stehen. Bei einer 4eckigen Begrenzung also ein bestimmtes gutes Verhältniss zwischen den Horizontalen und Vertikalen vorwalten muß, 1:2, 2:3, 3:4, 5:8 etc. Entspricht das was wir gewißermaßen auf einmal in's Auge fassen können, unserm Sehkreis, so wird dieser für das Zusammenfassen des Hauptsächlichen im Bilde als Grundlage zu nehmen sein. Die dem Kreis entsprechende einfachste 4eckige Flächenform ist das Quadrat. Bei eckiger Begrenzung werden wir darum gut thuen, das Quadrat der kleineren Begrenzungslinie im Bilde als Grundform für die Ausgestaltung des Wichtigsten im Bilde zu Grunde zu legen. Stellen wir z.B. eine Hauptfigur im Bilde so, daß sie in irgend einer Weise mit der Begrenzungslinie des so im Bilde gewonnenen Quadrat's zusammenfällt[,] so wird sie uns als besonders wichtig erscheinen schon auch wegen des so gewonnenen Zusammenhanges mit der Bildfläche und ihrer Begrenzung. Sucht man dann des Weiteren noch andere Verbindung mit der Begrenzung auf[,] so wird sich für wertvolle Ausdruckspunkte und deren Zusammenhang eine außerordentliche Bereicherung ergeben. Hiezu muß auf die Wichtigkeit der Eckpunkte, auf die entsprechenden Diagonalen u. im Ganzen auf die 4 Hauptmomente im Bilde mit 4eckiger Begrenzung[,] die unserem Sehen entsprechen, hingewiesen werden. Es kann noch gleich gesagt werden[,] dass das gegen das Rechteck ausgespielte kleinere Quadrat einen Gegensatz bildet, der in seiner geringen Abweichung bestimmte verfeinerte Harmonien wirksam zu unterstützen vermag. Und wenn in diesem kleineren Quadrat die weiteren Compositionspunkte in einer bestimmten künstlerischen Ungleichmäßigkeit angebracht werden, so wird dieses für solche Zwecke wohl genügen können[,] in feingefühlter Weise das Unregelmäßige in's Bild einzuführen. Es muß aber für alle Fälle immer wieder auf die für ein Bild notwendigen Unterschiede des Regelmäßigen zum künstlerisch Ungleichen hingewiesen werden, sowohl linear wie in Bezug auf die Form[,] das Helldunkel und die Farbe. Der mehr oder weniger zum Ausdruck gebrachte Contrast wird sich so in ausserordentlicher Weise steigern laßen u. wird die Steigerung und Verminderung dieser Contraste durch den Zweck u. den Stoff der Kunstwerke bedingt sein. Wir haben es so bei dem Obengesagten gewißermaßen mit einer äußersten Grenze zu tuen, die gründlich kennen zu lernen notwendig ist, als Basis für das Übrige. Während für das selbständige Bild natürlich nur die Bildbegrenzung und deren Eckpunkte für die compositionelle Entwicklung des im Innern sich Abspielenden maßgebend sind[,] werden für das Dekorative alle wichtigen in's Auge springenden Punkte des Raumes mit in Rechnung gezogen werden müßen[,] um so die Verbindung von diesen mit den Bildern zu verbinden[,] in eine bestimmte Harmonie zu bringen. Für Alles dieses bildet die Art unseres Sehens, seine physiologische Art, die Grundlage. So muß alle Anordnung im Bilde stets auf die physiologischen Notwendigkeiten unseres Sehens zurückgeführt werden, da unsere Augen u. Sehnerven in dieser Kunst allein in höchste Mitleidenschaft gezogen werden. In diesem Sinne ist auch unser Begriff Empfindung in der Malerei aufzufassen u. hieraus dieser Begriff zu entwickeln[,] zu studieren und nach Möglichkeit zu erklären. [rechter Rand quer]Diese Normen entsprechen diesen Notwendigkeiten unseres Sehens. Man wird aber auch auf andere Weise zu ähnlichen Resultaten gelangen. Insbesondere wenn wir lediglich der Empfindung unseres Sehens gehorchen, werden wir bei glücklich gelungenen Raumausschnitten aus der Natur vermittelst des Motivsuchers oder bei Zeichnungs- u. Bildskizzen mitte1st verschiedener Passepartouts das oben Gesagte leicht bestätigt finden können. So oder so werden wir erst in voller Befriedigung der Notwendigkeiten unseres Sehens jene Befriedigung finden, die wir als etwas Harmonisches bezeichnen können. So ist im Studium auf diese volle Entwicklung in jeder Beziehung der höchste Wert zu legen. Jedenfalls wird für eine volle Entwicklung auch das Obengesagte von ausschlaggebendem Werte sein. [linker Rand quer:] Alle möglichen Beispiele für selbständige und dekorative Bilder. Licht u. Farbe werden kl. Abweichungen bedingen.
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