Adolf Hölzel
Die Wissenschaft in unserer Kunst ist und


Die Wissenschaft in unserer Kunst ist und bleibt nur ein Mittel unsere Empfindung zu steigern und mitzuhelfen, sie einem Höchstpunkt zuzuführen. Aus diesem Grund müssen wir ein gründliches Wissen besitzen. Niemals darf aber die Wissenschaft lediglich um ihrer selbst willen ohne künstlerischer Begründung für den Schaffenden in seinen Werken zu Tage treten[,] wenn es um Kunst sich handelt. Es würde auch ein temperamentvolles rein künstlerisches Schaffen unmöglich, wollte man sich hemmen durch wissenschaftliche Schranken. Häufig eilt die Kunst der Wissenschaft voraus. Sie hat so zu sagen ihr eigenes Wissen[,] das nicht zum mindesten auch auf vielfach persönlicher Übung und reicher Erfahrung beruht. Freilich ist Kunst auch eine praktische Ausnützung wissenschaftlicher Gesetze, immer aber können diese, da die Empfindung für die Kunst eine so wichtige Rolle spielt, niemals in allzu exakter Weise ihre Verwertung finden; denn Empfindung gleicht einem Ahnen, einem niemals Sicheren, mehr dem Traum verwandt als klarer Berechnung oder auch exakter Umrahmung. Es wird immer ein Schwankendes sein, dem Beiläufigen nahe[,] und willst du es fassen[,] ist's nicht mehr so[,] wie Du es fühltest. Darum auch müssen in unsrer Kunst die Erscheinungen[,] die die Empfindung verlangt, besonders beachtet sein und eigens studiert. Lernen und Wissen sollte man viel für eine künstlerische Tat; doch ist[,] um ein Kunstwerk zu geben, nicht immer viel Wissen und Können von nöten. Denn alles was Einer weiss, kann niemals in einem Werk gegeben und auch miteinander verbunden sein. Ist es auch sicher, dass in zielbewusster Einseitigkeit der Weg zu Höchstleistungen liegt, das ja in hohem Maasse Persönliches in sich schliesst, so ist für ein allgemeines Studium doch das Ganze in's Auge zu fassen. Und hier ist besonders zu betonen, dass Unterricht und meisterliches Schaffen[,] von einander sicher getrennt, überlegt sein wollen, doch aber so miteinander verwachsen sind, wie Muskeln u. Knochen[,] und untrennbar erscheinen, sich auch gegenseitig bedingen. Im Vortrage handelte es sich besonders um Farbe. Also um einen kleineren Teil des Ganzen. Aber auch dieses Feld ist für sich zu umfassend und gross für eine einstündige Besprechung. Es ist ein so reiches, schwieriges Feld und so wenig in seiner Vollständigkeit gekannt, dass beim kleinsten Theil vieles vorausgesetzt werden muss[,] das Meiste nur als Andeutung zu geben möglich[,] sonst aber Vieles der Empfindung anheim zu stellen ist. Und diese wieder ist so vielfach verschieden, bei den verschiedensten Menschen, dass es unmöglich ist, ein Allgemeines zu geben. Und doch sind Erklärungen nötig, die auf allgemein gültigen wissenschaftlichen Forschungen fussen. Das Thema wurde beschränkt auf Einiges hinsichtlich der Farbe in ihrer bildharmonischen Bedeutung und Ausnützung, hat also mit den Ostwald'schen Lehren nur wenig Verbindung und sucht der Empfindung auch hier[,] gewissermaßen abweichend vom exakten Wissen[,] ihr Recht zu verschaffen.
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