Adolf Hölzel
Die Kunst ist eine Sprache für sich, die


Die Kunst ist eine Sprache für sich, die von jedem gesprochen werden kann, der sie beherrscht; aber auch nur von diesen wirklich verstanden wird. Die Kunst hat keine Worte, sondern andere Mittel um sich aus[zu]drücken[;] folglich kann nur der[,] der diese Mittel beherrscht[,] sich künstlerisch ausdrücken[.] Aber auch nur der, der diese Mittel und den damit erzielten höchsten künstlerischen Ausdruck würdigen kann, wird Kunst begreifen, d.h verstehen. - Die Menge, die in der Kunst nur das Gegenständliche sucht, das also, was sich durch einen Titel oder eine Erzählung sagen lässt ohne Rücksicht auf eine künstlerische Verwertung der Mittel, hat keinen Anspruch auf Kunstgenuss, in den seltensten Fällen auch auf Kunstverständniss, wenn man die Erzählung als solche an und für sich ausnimmt. Daher kann eine Kunstkritik ohne Kunstverständniss an und für sich künstlerisch sein. Nur hat sie dann mit der eigentlichen Kunst im zu kritisirden[sic!] Kunstwerke nichts weiter zu thuen, als das[sic!] diese die Anregerin bildete, zu einem neuen, allerdings anders gearteten Kunstwerke. Dass ein solches für das kritisirte Kunstwerk irreführend sein kann, hat mit dem künstlerisch literarischen Werte einer derartigen Kritik Nichts zu thuen; ist nur als Kunstkritik absurd! 1.3.15 Kunst und Literatur ist nicht mit einander zu verwechseln, schon aus dem Grund, weil die Literatur vielsprachig ist. Die deutsche Literatur ist deutsch, nicht weil sie von Deutschen geschrieben ist, sondern weil sie deutsch geschrieben ist, wobei natürlich deutscher Geist und deutsches Wesen inbegriffen sind. Eine gute deutsche Übersetzung Shakespeare`s kommt uns deutsch vor. Kunst ist aber eine Sprache für sich. Daher jedes Land sich künstlerisch nur in dieser gleichen Sprache ausdrücken kann; wobei es sich also um nichts anderes mehr handeln kann als darum, ob etwas mehr oder weniger künstlerisch ist, also künstlerisch höher oder niedriger steht. Kunst kann international sein, sie muss es nicht, da sich nicht jedes Land mit Kunst abzugeben braucht, wie ja zweifellos in den meisten Ländern Kunst als ein Nebensächliches angesehen wird. Das künstlerische Verständniss der Menge in der Jetztzeit zu hoch anzuschlagen[,] wird ein sich stets rächender Fehler sein. Der Schaden der Kunstvereine und der künstl. Genossenschaften ist ein ausserordentlicher. Der Nutzen[,] der durch die damit verbundenen Concessionen erzielt wird[,] liegt stets ausserhalb des Künstlerischen.
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