Adolf Hölzel
Schopenhauer: "Die Anschauung also, die


Schopenhauer: "Die Anschauung also, die Erkenntnis von Objekten, von einer objektiven Welt, ist das Werk des Verstandes. Die Sinne sind blos die Sitze einer gesteigerten Sensibilität","" "Unter allen Sinnen ist das Gesicht der feinsten und mannigfaltigsten Eindrücke von aussen fähig: dennoch kann es an sich bloss Empfindung geben, welche erst durch Anwendung des Verstandes auf dieselbe zur Anschauung wird. Könnte Jemand, der vor einer schönen weiten Aussicht steht, auf einen Augenblick allen Verstandes beraubt werden, so würde ihm von der ganzen Aussicht nichts übrig bleiben, als die Empfindung einer sehr mannigfaltigen Affektation seiner Retina, der vielerlei Farbflecken auf einer Malerpalette ähnlich, - welche gleichsam der rohe Stoff ist, aus welchem vorhin sein Verstand jene Anschauung schuf. - das Kind, in den ersten Wochen seines Lebens[,] empfindet mit allen Sinnen: aber es schaut nicht an, es apprehendirt nicht: daher starrt es dumm in die Welt hinein." Wollen wir daher in einem Kunstwerk nicht den Verstand sondern die Empfindung zu Grunde legen, so müssen wir von obigem Gebrauch machen und hinsichtlich der Farbe z.B.[,] lediglich im Bilde von der Empfindung einer Affekation der Retina, die wir da irgendwie entwerfen und im Bilde als einem harmonischen Ganzen den diesem und den Empfindungsmöglichkeiten der Retina entsprechenden Gesetzen ausgehen. Dieses wäre das farbige Anfangsconcept. Die weiteren Concepte bis zu einer gegenständlichen Vollendung ergeben sich dann aus der Vereinigung von Empfindung und Intellekt. In der Form wird uns auch die Art des Sehens mit paralell[sic] eingestellten Sehstrahlen, grosse Formflecken ergeben, die hier die Grundlage für das weitere von vornherein ergeben und die für die begrenzte Bildfläche wieder nach den Empfindungsgesetzen unseres Sehens in den Raum zu stellen und zu verarbeiten sind. Hiezu kommen im ähnlichen Sinne die Hell-Dunkel und Kalt-Warmvertheilungen und Ausnützungen. Dieses Sehen des grossen Eindrucks lehrte uns eigentlich erst die Impression vor der Natur. Durch die Expression aber kommen wir weiter zum eigentlichen künstlerischen Ausdruck, vom Standpunkt des Bildes oder vorher vom Übergang der Naturanschauung zur Bildausnützung.
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