Adolf Hölzel
Kunst ist eigentlich keine so einfache Sache als


Kunst ist eigentlich keine so einfache Sache als man sich dies immer so vorstellt. Die meisten denken, sie müssten alles was sie sehen gleich zum Bild verwerten. Die erste beste Studie soll schon die Grundlage dafür abgeben. Es soll schon ohne gründliche Verdauung ein richtiges Resultat erfolgen. Wie bei einem Abführmittel[,] bei dem man das Eingenommene am liebsten möglichst bald verausgabt. Jede Art zu starken Egoismus' grenzt an's Verbrechen. Es brauchen nur noch einige Umstände dazu zu treten. Wie die Verbrecher sagen: Ja ich musste ihn berauben, bestehlen, umbringen, sonst hätte ich ja Nichts davon gehabt! Die Nation kann nur künstlerisch gehoben werden, wenn ihr Jeder sein bestes zur Verfügung stellt. Im Sinn des Unterrichts eben dann[,] wenn Jeder seine besten Erfahrungen allen Anderen übermittelt und zur Verfügung stellt. Geschäftsgeheimnisse sind hier schon etwas anrüchig. Umsomehr wenn sie dazu dienen[,] dem Betreffenden einen Nimbus zu geben, als wäre er ein vom Himmel gefallenes Genie. Diese Charlatanerie hat ausser Anderem den großen Nachteil, dass dem, der es öffentlich ausspricht, dass das Genie nicht vom oben herunter[,] sondern von unten hinaufwächst, nie recht geglaubt wird, so dass ein rationeller Unterricht ausserordentlich darunter leidet. Abgesehen davon, dass für den internationalen Kampf Nichts für die Wichtigsten der Nation unterschlagen oder verloren gehen sollte[,] um den endlichen grossen Sieg herbeizuführen. Hier ist der grosse Unterschied zwischen Geschäftsmann und Künstler zu suchen. 15.8. Gestern Abend wurde darauf hingewiesen, dass man bei der Trennung von Haupt- u. Nebensachen sehr darauf achten muss, dass wenn auch nicht im übertriebensten Maasse[,] so doch auf der Hauptsache stets eine stärkere Betonung wird liegen müssen. Z.B. wenn man den hauptsächlichen und Vordergrundfiguren in den Draperieen ein Dreizahl von Formmotiven von unten hinauf etwa zuteilt, dass bei den nebensächlicheren aus dem erwähnten Grunde nur eine 2 Zahl zu geben wäre. Dass solche stärkere Betonungen aber natürlich auch anders erzeugt werden, durch das Hell Dunkel oder durch die stärker hervortretende Silhouette, indem man der Hauptsache die höheren Ausladungen zuwendet, oder wenn sie den tiefsten Punkt einnimmt[,] dies dann besonders gesehen wird, wenn die stärkeren Verhältnisszahlen und linearen Gegensätze immer zu Gunsten des Hauptsächlichen ausgespielt werden. Ferner wurde, mit Hinweis auf die kl. russischen Zeichnungen im blauen Reiter auf die 3fache Verschiedenheit der dunkeln[,] mittelhellen und hellen Formen u. Strichbetonungen als Trennungsformel u. gleichzeitige Formel für den einfachsten Ausdruck des Dreidimensionalen im gegebenen Sinne angespielt u. die elementaren Notwendigkeiten für das Dreidimensionale wieder ein wenig gestreift.
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