Adolf Hölzel
Jeder Mensch hat so viel mit seinem


Jeder Mensch hat so viel mit seinem eigenen Beruf zu thuen, dass ihm, wenn er ihn richtig ausfüllt[,] kaum Zeit übrig bleibt auf Anderes in vollem Masse einzugehen. Wie wenige intelligente Menschen ausser Malern und Jenen die indirekt dazugehören[,] können sich daher mit Malerei eingehend beschäftigen. Daher das im Allgemeinen geringe Verständniss für Malerei, ihre künstlerischen Probleme und deren Entwicklung. Daher aber auch die Notwendigkeit, dass der ernst Strebende in diesem Berufe sich ganz auf sich selbst und in sich zurückzieht. Die Concession muss den praktischen Malern überlassen werden. Genuss u. der damit verbundene Friede im eigenen Schaffen geben mehr als ehrgeizige Bestrebungen nach Aussen hin. Aber man muss auch dem sog. Publikum gegenüber, von dem man nie weiss, wer es ist oder wer als Ton angebend anerkannt wird, gerecht sein. Sie haben, wie der ernst strebende Maler das Recht hat, zu machen, was er für richtig hält, ebenso das Recht hat zu sagen, was sie für richtig halten. Denn ebenso wie der fortschreitende, intensiv und rationell schaffende Künstler in seinem Urtheil fortschreitet und dieses ändert, ebensowenig darf man verlangen[,] dass der weniger[,] ja oft durch die Erziehung verbildete Laie ein richtiges Urtheil hat. Dass er sich's einbildete ist gewiss gefährlich, aber nicht zu ändern. Man sehe hiefür nur als Bei- u. Gegenbeispiel gegenüber de[m] richtigen Verständniss wahrhaft hoher Kunst auf das eingebi1dete Urtheil junger Kunstschü1er, zu denen alle Meister einst zählten. Kein Mensch ahnt, wie sehr er sich um das Höchste zu erreichen und zu verstehen, ändern muss. Kaum weiss oder ahnt der älter Gewordene, wie sehr er sich gegenüber seinen Jugendirrthümern geändert und geklärt hat. Und wenn er sich nicht viel geändert, Nichts dazu gelernt hat, dann war 's wohl am wenigstens Werth[,] dass er lebte. Aus den verschiedentsden[sic] Einflüssen und Erlebnissen setzt sich die menschliche Entwicklung zusammen. Je mehr er solche studiert[,] jene ausgenützt und begriffen hat, desto mehr wird er sich von Anderen unterscheiden können. So ist die Thatsache auch nur erklärlich und begreiflich, dass in der Malerei wirkliche Persönlichkeiten immer erst im höheren Alter in die Erscheinung treten.
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