Adolf Hölzel
Wenn man tiefer in die Kunst eindringt so


Wenn man tiefer in die Kunst eindringt so erstaunt man über Alles und auch über Alles, was man bisher versäumt hat. Man staunt aber auch immer mehr[,] mit welcher Harmlosigkeit sich die meisten Gebildeten mit der Kunst abfinden und dabei von ihrem ausgezeichneten Kunstverständniss voll überzeugt sind[.] Ja es für das beste Kunstverständniss halten, namentlich die Kunstleitenden Generale und Excellenzen. Denn wenn man auf Befragen ihnen Einiges von den mit Mühe und seelischen Qualen errungenen Erfahrungen mitteilt, lächeln sie mit jenem ungewollten spöttischen[,] ja höhnischen Augenblinzeln aus den Ecken der Augen heraus, das am deutlichsten ihre eigentliche Meinung und volle Unkenntniss zu erkennen giebt[.] Die meisten Menschen stehen auf dem Standpunkte, dass[,] wenn ihnen etwas nicht gleich gefällt, dass sie sagen, das ist nichts; und unter Umständen gleich energisch dagegen los wettern. Anstatt dass sie sich fragen, könnte das nicht unter anderen Umständen etwas sein, oder: könnte daraus nicht etwas, vielleicht sogar etwas Besonderes werden. Wollen wir das zu Exakte vermeiden, so geben uns die alten Häuser Statuen und Bilder, ja die quadratischen Pflastersteine[,] die steinernen Trotoire[,] die beste Aufklärung, da ihre exakte Grundlage sicher ist, aber an einzelnen Stellen verschwunden. Weil Einer einen Rock trägt, der vor 20 Jahren oder länger in Deutschland oder England erfunden wurde, hält er sich für deutscher, als Einer[,] der einen solchen Rock trägt[,] der erst vor 5 Jahren creirt ward.
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