Adolf Hölzel
Die Menschen, die, wie man sagt den Anschluss


Die Menschen, die, wie man sagt den Anschluss versäumen, sind in der Regel die grössten Gegner des Neuen. Ich war besonders erstaunt meinem Freund P. gegenüber, der in seiner Jugend sehr gegen ein akademisches Professorenregiment und überhaupt freidenkend war[,] später die Münchener Secession mit begründen half, nun als Akademieprofessor strengster Observanz sich dem Neuen gegenüber feindlich stellte. Als er abermals mit einigen Bildern von seinen eigenen Collegen zurückgewiesen wurde[,] meinte er zu mir[,] ich (er) käme nicht mehr mit, darum versuche ich's gar nicht. So wurde er, der in der in der Jugend selbst Neuerer war, einer der ärgsten Feinde des abermals Neuen, das nur eine natürliche Folge des Vorhergehenden war. So wird es wohl allgemein sein und auch immer gewesen sein. Man hüte sich sehr davor den Ansch1uss zu verlieren. Immer mit vorne bleiben, so anstrengend dies auch ist, wird trotz aller Kämpfe das Sorglosere bleiben und ein gutes Gewissen geben. - Kunst verschönt[.] So oft hört man, der Künstler soll nur das Schöne malen; aber wer künstlerisch tätig war, weiss genau, dass mit wenigen Strichen ein Ding sehr gut sein kann und ebensowenige Striche dazugehören[,] um das gleiche Ding scheusslich im Sinne von Kunst zu machen. Durch wirkliche Kunst erst, durch eine richtige Verwertung und Ausnützung der Mittel[,] wird etwas zu Besonderem, Eigenartigem, Interessantem, vergeistigt, verschönt; darum müssen auch scheinbar neue Definitionen von Seite der Aestheten[,] wenn neue Kunst entsteht, geschaffen werden. Und nicht die Künstler dürfen b1os das Schöne malen, sondern die Anderen sollten sobald als möglich das wirklich künstlerisch Gute verstehen lernen. Würde man nicht wissen, dass etwa von Seite(n) der U1tramontanen oder von anderer Seite mehr aus sophistischen Gründen und am häufigsten um die eigene Dummheit zu bemänteln, solche Leitsätze aufgestellt werden, so könnte man an der Logik verzweifeln. Aber richtig ist es, dass auf solche Weise in kultureller Beziehung mehr Schaden angerichtet wird, als etwa in sittlicher Beziehung durch Unterdrücken von Kunst genützt werden kann. Man sollte alle derartige Gemeinplätze, die auch in Gelehrten[-] und Aestetikerkreisen kursiren[,] ausmerzen können; Kunst allein veredelt. Höchste Kunst wird uns immer hinreissen und begeistern können, wenn wir sie einigermassen verstehen lernen und wird uns durch eine grosse Harmonie vom Trivialen abziehen. Das durch Kunst entmaterialisirte Menschliche wird uns sittlich nicht eigent1ich schädigen können. Da sind ganz andere Dinge und Sachen[,] die hier viel stärker und lediglich trivial wirkend zu verhandeln wären. Wie viel ärger die Lüge in jeder Form u.s.f.
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