Adolf Hölzel
Sie wissen,


Sie wissen, dass Kunst stets eine Sache hoher und höchster Empfindung ist. Sie wissen aber auch, dass der Schaffende mit diesem Satze eigentlich nichts anfangen kann. Denn wir besitzen keinen Napf gefüllt mit Empfindung[,] in den wir unsere Pinsel eintauchen können[,] um damit zu malen. Unsere Empfindung sagt uns ja nur ob uns etwas angenehm oder unangenehm ist. Was wir im letzteren Fall zu thuen haben um das böse Empfundene zu einem Guten zu machen, lehrt uns nur eine richtige Erfahrung, ein vernünftiges Nachdenken[,] eine ausserordentliche[,] durch ständige rationelle Arbeit [?...] Studium erworbene Übung. Dann erst sind wir im Stande[,] wenn wir Mängel u. Fehler entdecken[,] zu fühlen[,] was hier fehlen könnte. Für den Schaffenden bedeutet die notwendige Höchstempfindung also nicht blos das angeborne Empfinden, sondern es muss aufgefasst werden als ein reiches Resultat, das sich zusammensetzt eben aus dieser angebornen menschlichen Empfindung und sich steigert durch die notwendige Erfahrung[,] durch ständige rationelle Arbeit, die wieder gefördert wird durch das richtige Ausnützen unserer Verstandeskräfte und unserer Vernunft[.] An diesem müssen wir festhalten, so sehr von den verschiedensten Seiten alles Verstandesmässige in der Kunst mit einer gewissen Berechtigung abgelehnt wird. Um jedoch zu Höchstleistungen zu kommen[,] müssen wir uns volle Klarheit verschaffen[.] Und da muss natürlich Verstand und Vernunft mitwirken. Mit einer bei1äufigen Empfindung kommen wir da nicht aus. Und auch die blosse Empirie[,] wenn wir das Erfahrene nicht gründlich durchprüfen und analysieren[,] wird uns nur zu Theilerfolgen führen [?.]. Freilich werden alle derartigen Resultate erst wenn sie unserer Empfindung standhalten[,] künstlerische Berechtigung haben und so wird unsere Empfindung stets von Anfang bis zu Ende die oberste Richterin bleiben. Allerdings kann nur eine Summe praktischer Arbeit und die aus ihr resultirende Erfahrung uns die Möglichkeit geben[,] unserer Empfindung immer wieder neuere Resultate zu unterlegen. Aber mit der Empirie allein kommen wir keinesfalls aus. armer empirischer Teufel, Du kennst nicht einmal das Dumme In Dir selber: es ist ach a priori so dumm (Goethe Schiller'sches Xenion[.] es ist von Schopenhauer in seiner Farbenlehre Erstes Capitel "Vom Sehen") Wollen wir Dieses auch uns selbst täglich vorsagen.
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