Adolf Hölzel
Wir werden sehen, dass die neueren Forschungen


Wir werden sehen, dass die neueren Forschungen[,] die sich rein künstlerischen Fragen widmen[,] und es kann gar nicht anders sein[,] da die viel tausendjährige Kunst immer mit den gleichen Mitteln geschaffen wurde und wird, sich meistens mit einzelnen künstlerischen Elementen und ihrer gründlichen Klarlegung oder mit der Zeit entsprechenden Combinationen derselben beschäftigen. Zu einem werthvollen Ergebniss kann man da aber nur gelangen, wenn man alles darauf bezügliche[,] auch alles Vorhergegangene[,] gründlichst studirt und durcharbeitet. So wird auch jede wichtige Einzelfrage ein gründliches Studium aller klassischen Meister und ihrer Werke verlangen. Sie sehen, dass es sich dabei für jede Frage um Arbeiten handelt[,] die der Einzelne allein gar nicht zu leisten im Stande ist und dass es nur zu einem abschliessenden Resultate kommen kann, wenn eine Anzahl Gleichstrebender sich mit den gleichen Fragen beschäftigen. Auch hier finden wir Aehnlichkeiten in der Kriegskunst. Sie werden gelesen haben, dass Moltke eine Schlacht Hanibals gegen die Römer, die von Cannae, eine der Grundlagen seiner strategischen Studien u[.] Forschungen bildete, dass er aber selbstverständlich ebenso [?.] andere wie auch wichtige Schlachten und Massnahmen Napoleons des I. nach allen Richtungen durcharbeitete und sich seine eigenen grossartigen Ideen mit aus solchen eingehenden Studien entwickelten und dann die grossartigsten Resultate zeitigten. Denken Sie[,] einen französischen Meister studierte er um später die Franzosen zu schlagen! und denken Sie dabei an die Gehässigkeiten[,] denen Künstler ausgesetzt sind, die aus den g1eichen Gründen französische Meister zu ihrem Studium machten. Ja wie sehr sucht man vom militärischen Standpunkt aus die franken Länder genau zu erforschen und kennen zu lernen um ihnen überlegen zu werden. Hätten wir unsere grossartigen Siege jetzt erfechten können; ja könnten wir so siegesmutig der Zukunft entgegensehen trotz alles Mutes und Gottvertrauens, wenn diese Überlegenheit nicht vorhanden wäre? und wenn nicht wieder die grossen Moltke'schen Prinzipien den neuen Forderungen der Zeit[,] den Wirkungen der der derzeitigen Waffen entsprechend angepasst worden wären? Und was hier se1bstverständl ich und natürlich erscheint, muss das in der Kunst nicht gerade so sein? Und doch, dort würde man verdammen[,] würde es nicht so gemacht werden, und hier wird das gleich Nötige verspottet und begeifert. Kümmern wir uns nicht darum! Allerdings[,] wenn unsere Generale im Felde so wenig Verständnis von der Kriegskunst hätten, als ein grösserer Teil unserer leitenden Kunstkreise von der Kunst und ihrer notwendigen Entwicklung und Forderung[,] das Publikum gar nicht zu rechnen[,] dann könnten wir uns jetzt schon nicht mehr von den empfangenen Schlägen erholen. Es ist ein Schaden für die Kunst und ein Zeichen für deren vielfachen Tiefstand, dass die künstlerischen Schläge[,] die Deutschland auf den verschiedensten Ausstellungen empfangen hat, nur von so verhältnismässig wenigen Deutschen schmerzlich empfunden wurden.
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