Adolf Hölzel
Impressionismus brachte uns vor Allem


Impressionismus brachte uns vor Allem das weiche Sehen[,] wie es die parallel eingestellten Sehstrahlen bedingen. Der scharf auf einen Fleck gerichte[te] Blick[,] der im spitzen Winkel auf einen bestimmten Theil eines Gegenstandes fällt, ist härter. Und alle Zeichnung[,] die unter der letzten Voraussetzung entsteht[,] wird härter und analytischer wirken. Ja es ist[,] als wie wenn unter derartigem Sehen die Hand krampfhafter arbeiten würde, so dass Alles dementsprechend der eigentlichen Gefühlsweichheit entrückt wird. Beim Kinde sind es die noch nicht verhärteten Muskeln und Sehnen, die hier den Ausgleich schaffen. Gehen wir vom Fleck aus, also nicht von der durch die Linie gegebenen Form, so ist die Linie zunächst nicht vorhanden und wird erst durch den von innen heraus entstandenen Fleck als dessen natürliche Begrenzung. Sie wird anders zur Wirkung kommen, als wenn von der klaren Linie ausgegangen, die fertige Form, von aussen bedingt, getönt oder gefärbt wird. Da durch die härter zuerst gezogene Linie schon etwas weicheres genommen wird, und die durch den Contur gegebene Form nur zaghafter, weil unfreier, getönt werden kann, wird gegenüber dem Fleck als Primärem ein Gesammtbild entstehen, in welchem nicht die ganze Kraft des Schaffenden zur Entfaltung gelangt. Freilich wir die präzisere Form und das lineare Ornament Vortheile von hohem Werth im künstlerischen Sinne in sich bergen; doch für die Entwicklung der Farbe und eines bis in´s Äusserste gehenden Colorismus, wird höchste Kraftentfaltung im Kunstwerk als besonderes anzusprechen sein, ohne welches wir hier Höchstes nicht erreichen.
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