Adolf Hölzel
Natur und Kunst sind Begriffe, die für die Entstehung eines Bildes


Natur und Kunst sind zwei Begriffe, die für die Entstehung eines Bildes streng auseinanderzuhalten sind. Das Dargestellte im Bilde hängt mit der Natur zusammen, die künstlerische Darstellung mit den künstlerischen Mitteln. Die künstlerischen Mittel sind sonach die Sprache des Künstlers. Trennt man die Kunst, mit der Etwas zur Darstellung gebracht ist von dem Dargestellten, so liegt das Wesen dieser Kunst in den künstlerischen Mitteln. Etwas im Sinne von Kunst auf das Wesentliche hin- oder zurückführen heisst: es im Sinne der künstlerischen Mittel vereinfachen, im genialsten Sinne auf die Formel zurückführen. Bestätigt wird dieser einfache und natürliche Erfahrungssatz in den größten Meisterwerken. Zu den 2 Begriffen Natur und Kunst tritt hier noch die Persönlichkeit dazu. Die Persönlichkeit, die durch eine persönliche Wahl der Natur wie der Darstellungsmittel, also durch persönliche Empfindung u[nd] eine persönliche Ausdrucksform sich selbst dazu gibt. Vom Standpunkt dieser 3Zahl aus hat das Studium stattzufinden, ist es zu leiten. Hohe, wenn möglich vollkommene Beherrschung der künstl. Mittel. Reiches und eingehendes Studium der Natur [.] Schließlich Zuspitzen des Errungenen auf das Persönliche, das persönlich Wohltuende, das persönliche Empfundene. Alles dieses wird einerseits für sich, andererseits im geistigen Zusammenhang zu studiren sein. Inbezug auf die künstlerischen Mittel müßen wir die Elemente und ihre Wirkungsmöglichkeiten, ihre [.?.] Kraft. gründlich kennen lernen. Es sollte eine Elementarlehre gegeben, geschaffen werden. Die wichtigsten Formeln müßen gekannt und beherrscht werden. Seien sie traditionell übernommen oder neu gefunden. So muß auch die Natur vom Standpunkt der künstlerischen Mittel gründlichst erforscht werden. Die künstlerischen Mittel müßen uns vollständig klar sein. Sie müßen als etwas Vorhandenes betrachtet werden können, nicht als Etwas, das bei jedem Bilde zufällig gefunden wird wie in einem Kaleidoskop die Farben und Formen der Glassplitter vorhanden sind, und der unendliche Reichtum der Abwechslung durch die vielfachen Combinationsmöglichkeiten entsteht; so liegt der Reichtum in den Unterschieden der Bilder und Richtungen in den verschiedenartigsten Combinationsmöglichkeiten der obengenannten 3 Größen und ihrer vielfachen Unterabtheilungen mit ihren Vereinfachungen und Bereicherungen. Eine verschiedenartige geistige Auffassung, die Art des Sehens und die handliche und technischen Unterschiede werden gleichzeitig hier mitwirken. Damit haben wir es mit 3 Größen zu tun, Geist, Auge und Hand, die im Hinblick auf das Obengesagte geübt werden müßen. Und dieser Schulung ist wieder, im Sinne des oben Angedeuteten eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
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