Carl Friedrich von Rumohr
Von Rumohr
An Philipp Otto Runge
Ich habe deinen Brief erst hier erhalten, Bester. Verzeihe mir sonst, daß ich dir auf meiner lezten dreymonatlichen Streiferey nicht schon geschrieben. Ich habe indessen an dich gedacht; wie du weißt, daß du meinem Herzen werth bist, hast du's auch billig für geschehen angenommen.
Vergnügen macht es mir zu wissen, was du treibst. Frisch fort, als wenn in der Welt nichts passirte, muß der Künstler seine Gedanken treiben; aber ob sie erscheinen sollen, hangt von den Anforderungen ab, welche die Zeit an's ihn Verstehen macht. Mich freut es, daß du die Meßkunst auf das Studium der Vegetabilien anwendest und die Verknüpfung aller Kunst mit und in der Architektur vor Augen hast. Es ist gut, daß über die Kunst wenigstens speculirt wird; denn sollte eine Zeit kommen, wo die höheren Bedürfnisse blühender Staaten die Künste ansprachen, und sie muß bald oder nie kommen, und es wäre noch alles, wie es die Akademien gemacht haben, gar kein eigenthümliches Wollen wenigstens auf den ersten Stufen der Entwickelung, möchte leicht der Eifer und die Hoffnung auf Kunst im Aufkommen sterben. Es ist überall seltsam, wie selten die Völker auf die stürmische Leidenschaft für die Kunst kommen, welche selbst im Norden eine recht südliche Vegetation ansetzen kann?
Da du mir die Augen über die Niederlander durch deine
eifrige, mir nur in dir bekannte Speculation über die Farbe geöffnet hast, so habe ich in etwa 120 Bildern von, und zum Theil von, Rubens, die sich in München und der Gegend befinden, oft Gelegenheit genommen, die bewundernswürdige Intelligenz der Farbe in diesem seltnen Sinn zu betrachten. Auch dir, glaube ich, würde dieser Theil der Münchener Sammlung, und vieleicht mehr wie mir, zu vielen Betrachtungen Veranlassung geben. Ich habe in Cöln sehr interessante Unternehmungen in der Baukunst gesehen; diese schöne alte Stadt, welche ganz demokratisch verfaßt war, hat mir durch die Pracht ihrer öffentlichen, die Bescheidenheit ihrer Privatgebaude ausnehmend gefallen. Welch ein Land muß das Deutsche im dreyzehnten Jahrhundert gewesen seyn! welch eine Menge großer und prachtiger nun verödeter Städte! Der Residenzenhochmuth, die lezte Kunstanstrengung der Nation, geht auch nunmehr zum T . Welche Herrlichkeit, oder welche Schmach steht uns noch bevor?
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