Daniel Runge et al.
Petrus auf dem Meer
Petrus auf dem Meer
1.Große Untermahlung in Oel. Im December 1806 und Januar 1807 in Wolgast.
2. Große Zeichnung in Tusch und Sepia. Im Spätjahr 1806 in Wolgast.
Die hohe Gestalt Christi ist rechts im Bilde vom jenseitigen Ufer her über den See, der vor seinen Tritten still und glatt geworden, bis nahe an den Vorgrund hergewandelt; hinter ihm ist hoch am Himmel der Mond durch krause Wolken gebrochen und gießt seinen Schimmer nieder auf den ganzen Weg hinter den Schritten des Herrn; ganz riahe vor den Füßen Jesu so wie rechts und links im Bilde brüllen noch die vom Wind empörten Wogen auf, ein Theil seines Gewandes weht ihm über'm Haupt linkshin. Cr ergreift den angstvollen Petrus, der mit gebogenen Knieen im Begriff zu sinken ist, an dem zu ihm hinaufgestreckten Arm. Petrus ist nackt an Füßen und Ober-leibe, vbm Gurt an mit einem Fischerbeinkleide bedeckt. - Links ist das Schifflein von den stürmenden Wellen gedrängt, oben in düstrer Wolke, das Segel weit nach der linken Seite hin geschwellt; in demselben sind die übrigen eilf Jünger, alle zu Jesu hin blickend. Zunächst an den Heiland hinten im Schiff Judas Thaddäus, mit beiden ausgestreckten Armen über den Bord hinaus wie um Hülfe langend; über ihm Matthäus, ein alter Kopf, sich mit der Linken fest an den Bord haltend, die Rechte ein wenig erhebend; dann Bartholomaus stehend, mit der Linken das Steuer führend, kahlen Hauptes, bis auf einige Haarbüschel; ihn umfaßt mit der Linken, niedergesunken, Iacobus der Größere. Johannes, jugendlich, sitzt fast in der Mitte des Schiffes, glaubensvollen Blicks die Arme und Hände kreuzweise über die Brust faltend. Ihm zunächst sitzt Simon von Cana, kahl, bärtig, die Hände stehend erhoben. Angstvoll klammert Judas Ischarioth sich mit beiden Händen an den Bord. Hinter ihm kommt Thomas, erschreckt die Hände emporspreizend. Andreas steht hoch, mit der Rechten auf Christum weisend, die Linke hält kraftvoll ein Tau des Mastes fest. Hinter ihm, niedriger, Philippus. Ganz vorn steht, den Segelbaum haltend, Iacobus der Kleinere, eine jugendliche Gestalt. - In der Zeichnung sieht man rechts am Himmel unter dem Mond und Gewölk drey Engelknaben in einem Kreise tanzend; weiter unten zu jeder Seite des Pfades, den der Heiland über den See gegangen, sitzt auf einer kleinen Wolke ein größerer bekleideter Engel; sie falten, auf den mondbeleuchteten Pfad niebersehend, die Hände wie zur Anbetung. In dem Gemählde von allem diesem nichts, außer daß man die wieder ausgelöschte Spur eines betend herniedersinkenden Engels entdeckt.
(Auf einer andern, weit unvollkommneren Skizze in Federumrissen, ist unter den Jüngern hinten im Schiff einer völlig niedergeworfen, so daß man sein Gesicht nicht sieht. Auch ist ein sehr schöner Federumriß der Gruppe von Christus und Petrus auf braunem Papier da. Die Köpfe der Jünger hat R. alle noch einzeln in Kreideumrissen - Johannes und Judas ganz durchschraffirt - in größerem Maasstab entworfen.)
Der Dichter Kosegarten, früher unseres Künstlers Jugendlehrer, damals aber Prediger in Altenkirchen auf der zu Rügen gehörenden Halbinsel Wittow, hatte den Bau einer Capelle am Meeresufer bey dem eingepfarrten Fischerdorf Vitte veranlaßt, wo bis dahin an mehreren Sonntagen im Sommer Gottesdienst im Freyen gehalten worden war, wann der stündlich erwartete Zug der Heringe es den Bewohnern nicht gestattete, in die fern liegende Kirche zu gehen. Er wünschte sich in dieses kleine Gebäude ein Bild, entweder von dem Mahler Fridrich, oder von unserm Runge. Dieser schrieb darüber am 19. July 1806 an Daniel :
"Kosegarten meynte, es könnte Christus, wie er den Wind bedräuet (Matth. VIII.), werden, oder wie Petrus auf dem Meer geht (Matth. XIV.). Lezteres zieht mich mehr an, und ist auch eine deutlichere Handlung darin. Der Platz, der für das Bild übrig, ist 9 Ellen lang und breit, also kann ich es in jeder Form machen, die mir gut däucht."
So wie an Goethe den 4. December : "Da ich wenigstens den Winter hier bleiben mußte, jetzt vielleicht länger, so hatte ich vor, eine ausführliche Skizze in OeI auszumahlen zu einem Bilde für die Capelle, welche Kosegarten bey Arkona angefangen: die Erscheinung Christi, wo er zu Petro sagt: Du Kleingläubiger, warum zweifeltest du? Es ist im Mondenschein, und da das Ganze in einer ansehnlichen Größe in Verhältniß zum Gebäude ausgeführt werden soll, auch als das einzige Bild darin, so würden manche imposante Erscheinungen, der Wogen, des Mondscheins, des Stürzens des Schiffes, mit den nächsten Umgebungen in der Natur auf Rügen in Einklang stehend, zusammenzufassen seyn." -
Es ist hiernach nicht wenig merkwürdig, wenn man eine Bemerkung über den Gegenstand dieses Bildes, als Stoff für die Kunst, in Goethe's Werken, Ausgabe lezter Hand, unter der Rubrik: ,,Zu mahlende Gegenstände," lieset, wobey wir nicht sagen können, ob solches früher oder später auf das Papier geworfen worden: "Nun aber zum Heiligsten überzugehen, wüßte ich in dem ganzen Evangelium keinen höhern und ausdruckvolleren Gegenstand als Christus, der, leicht über das Meer wandelnd, dem sinkenden Petrus zu Hülfe tritt. Die- göttliche und menschliche Natur des Erlösers ist in keinem andern Falle den Sinnen und so identisch darzustellen, ja der ganze Sinn der Christlichen Religion nicht besser mit Wenigem auszudrücken. Das Uebernatürliche, das dem Natürlichen auf eine übernatürlich-natürliche Weise zu Hülfe kommt, und deshalb das augenblickliche Anerkennen der Schiffer und Fischer, daß der Sohn Gottes bey ihnen gegenwärtig sey, hervorruft, ist selten gemahlt worden so wie es zugleich für den Icbeyden Künstler von großem Vortheil ist, daß es Rafael nicht unternommen; denn mit ihm zu ringen ist so gefährlich als mit Phanuel." (1 B. Mos. XXXII.)
Die Ausführung des Bildes für die Capelle wurde durch die eintretenden politischen Verhältnisse verhindert. Späterhin, 1810, erhielt R. aus Altona den Auftrag, eine ausgeführterere Zeichnung von dem Gegenstande zu machen; auch hatte er schon die Leinewand aufgespannt, um ihn noch einmal in Oel zu mahlen -.
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