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Daniel Runge et al.

Ossian




Ossian



+) Währte, Ryno, deine Schönheit?
Bestand die Kraft dir, Oscar der Wagen? ,, ^
Fingal ist selbst vergangen -
Vergessen in seiner Väter Haus
Der Hall des Heldemritt's.
Und willst du bleiben, grauer Barde!
Wenn die Mächtigen sind dahin?
Aber bleiben wird mein Ruhm,
Wachsen wie Morvcn's Eiche:
Sie beut dem Sturm ihr breites Haupt
Und frohlockt in der Winde Fahrt.


+) Die nachfolgenden Uebertragungen in Verszeilen aus Ossian, wo nicht ausdrücklich bemerkt ist, daß es die Stolbergischen oder von Andern sind, erbitten sich Nachsicht als Versuch eines Naturalisten, mit Beyhülfe der schätzbaren metrischen Aufschlüsse Mwardt's, den Dichter so Deutsch lesbar als möglich zu machen.



Diese Verse schrieb der Herausgeber (Von Daniel, 1799) unserm Künstler, der noch wenig oder gar nicht Notiz von Ossian genommen hatte, in sein Stammbuch, als derselbe 1789 nach Kopenhagen von Hamburg abging. Zwar finden wir von 1809 eine der kleinen Kopenhagcner Preiszcichnungen von ihm, wovon der Gegenstand aus Ossian seyn soll. Unter breiten Tannenästen hält ein Krieger eine Jungfrau (etwa Fainasollis im 3. Gesänge des Gedichtes Fingal?), die von einem Pfeil im Busen getroffen worden, in den Armen; ein andrer, den Bogen noch in der Hand, eilt ihm nach; beide Männer sind Griechisch behelmt. - Dann kamen diese Dichtungen nicht wieder in den Kreis derer, die R. besonders anziehen mußten, bis gegen Ende des Jahres 1804 in Hamburg.

1. Drey Federzeichnungen in Umrissen, Charakterbilder von Fingal, Oscar, und Ossian. 1805 in Hamburg.
2. Eine dergleichen, historische Composition: Comhal's Tod und Fingal's Geburt. 1804 in Hamburg.
3.Acht sehr große dergleichen zu dem Gedicht Cathloda.
1805 daselbst.

Perthes, als Verleger einiger, von dem Grafen Fr. Leopold von Stolberg übersetzten Schauspiele des Aeschylus, hatte diese Ausgabe mit den Flaxman'schen, meisterhaft von Gerdt Hardorf verkleinerten Skizzen geschmückt, und wünschte sich von Runge's Hand nun auch dergleichen zu der Stolberg'schen Uebertragung der Gedichte Dssian's, vielleicht auch durch die schönen Zeichnun, gen unsers Künstlers zu den Heymonskindem gereizt, zugleich aber, wie wir andern nahern Freunde desselben auch. von dem eifrigen Wunsche beseelt, ihn mehr und mehr in den Kreis einer Thätigkeit zu ziehen, die ihn unmittelbarer in Berührung mit dem Publicum, auch des Erwerbes wegen, bringen könnte. So nahm es auch R. selbst auf, der gleich anfangs überschlagen hatte, daß es wohl hundert Radirungen geben könne, die zwar nicht alle in die Ausgabe des Buches kommen dürften, aber ihm Anlaß zu einer unabhängigen Bearbeitung des Ganzen bieten könnten. Er las nun die sämmtlichen Gedichte mit der höchsten Gründlichkeit durch, suchte insonderheit die Eigenthümlichkeiten und den Gang der drey vornehmsten Heldengestalten, recht fest zu fassen, und indem nun außer den menschlichen Charakteren auch die Naturerscheinungen in diesen Werken mit den, damals in ihm so regen eignen Anschauungen, besonders von Licht und Farbe, in genaue Beziehung traten, entstand in ihm eine so über" gewallige Combination in dem Ganzen, daß er dieselbe in der Folge niemals wieder aus seinem Innern hat zurückweisen kön" nen. Nachdem die drey Charakterbilder entworfen und an Stolberg , um dessen Meynung darüber zu vernehmen, abgesandt wa" ren, schrieb er über dieselben an Tieck nach Rom unterm 29. März 1805 : "Von vielem, was ich angefangen, muß ich schweigen, aber eines kann ich Ihnen doch nicht vorenthalten, was mich jetzt am meisten beschäftigt, und woran ich sehr gern denke. Perthes hat mich durch die Bitte, ihm einige Zeichnungen zu einer Uebersetzung des Dssian's von Stolberg zu machen, veranlaßt, das Manuscript zu lesen. Ich hatte nie etwas von Oft sian gelesen, es hat mich ganz wunderbar ergriffen, und ich bin so ziemlich dazu fertig, eine vollständige Bearbeitung davon in bildlichen Zusammenstellungen zu machen und es darin als ein großes Ganzes zusammenzufassen. Da das" was ich darin begreife, so einzig darin zu finden und auch so ganz im Zusammenhange mit meinen sonstigen Ahnungen steht, giebt es mir sehr viel Hoffnung. Auch bin ich vorerst über die Ausführung für das Publicum mit Hardorf einig geworden, der sich auf das Radiren gelegt hat. Ich habe zu der Ausgabe des Werkes für Perthes drey Zeichnungen gemacht, die nachher in dem Ganzen mit begriffen werden. Ich habe die sämmtlichen Dichtungen nun öfter gelesen, und die Verhältnisse von den Himmelszeichen zu den Helden springen mir zu deutlich in die Augen, als daß sich


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nicht gewisse Gestaltungen festhalten ließen, ohne jedoch so bestimmte Gestalten zu werden. Der Hauptzusammenhang besteht also, insofern er bleibend ist, in den Nebensachen+). Die Helden sind jung, alt, und oft ganz andre Personen, und doch bezeichnen sie immer dasselbe. Die Hauptbedeutung erhebt sich bloß zu den drey Helden, Fingal, Ossian, und Oscar, ohne sich doch in ihnen allein darstellen zu wollen. Ich habe diese drey zu der Ausgabe als Frontispice gezeichnet: Oscar steht in einer niedrigen Gegend auf dem Horizont; der Schild, am Riemen hangend, sinkt ihm von der Schulter und neigt sich zum Rande der sinkenden Sonne, wie der schmale Streif des Mondes; die Spitze seines, Speeres ist der Abendstern. Er steht schwankend und tritt mit dem einen Fuß hinter den Horizont, sieht in die Sonne hinab, welche die lezten Strahlen über ihn wirft, und wird bis zum Vorgrund hin abgespiegelt in einem See. - Ossian sitzt auf der höchsten Felsenspitze mit der Harfe, zusammengesetzt aus dem Schwerdt Fingal's, Bogen und Horn; das Horn ist die untere Seite und es brauset ein Strom heraus, der sich in eine Schlucht stürzt; Bäume stürzen nach, so wie ein Fels vor Os-sian's Fußtritt herab. Ueber ihm der Nordstern, und da er mit der Rechten zum Schilde greift, so steht er mit Schild und Harfe wie zwischen Himmel und Erde; er hat die jugendliche Jagd verlassen und sein Stern ersteht ihm nur in der Hoffnung. - Fingal's Schild ist die Sonne; er tritt mit dem Fuß auf's Land, die Rehe fahren aus dem Gebüsch."
Wir fügen dieser Beschreibung nur noch folgende Züge hinzu: Fingal hat grade hinter sich die volle Sonne, mit wallenden Strahlen rund um sie her. Oben an dem Speer, den er hebt, steht ein Stern. Seine Kopfbedeckung hat Adlerflügel zur Seite. Das Schwerdt hängt ihm am leichten Riemen. Sein Gewand, um die Mitte gegürtet, geht ihm nur bis zur Halste des Schenkels herab, übriges Bein und Fuß nackt. (Das Co-stüm in dieser Art ist durchweg bey ihm und seinen Kriegern beobachtet.) Er ist bärtig. Rehe hüpfen vor ihm nach der Wüste. - Oscar's Stellung hinten am äußersten Horizont, ja mit dem einen Fuß hinter demselben, hat Manchen, als allem plastischen Begriff widersprechend, befremdet; man bedachte nicht, daß er dort nur wie eine Vision, ein Schemen gleichsam, und

+) Die Meynung scheint uns zu seyn: wird durch die Himmelszeichen und Elementarerscheinungen festgehalten.

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im Untergehen begriffen erscheint. - Ueber Ossi an steht der Nordstern mit den nächsten Gestirnen. An der Harfe, welche er in der Linken hält, ist oben der Bogen eine Linie, von welcher die Saiten (ein Pfeil steckt parallel mit denselben dazwischen) schräg in den Boden oder Bauch dcr Harfe hinabgehen; dieser bildet hier einen Delphin, aus dessen Maul der oben beschriebne Strom des Gesanges den Felsen hinabbrauset. Die Saiten schließen sich rechts mit dem Schwerdt, dessen Knopf umstrahlt ist, und dessen Spitze auch in den Delphin geht.

Mit den drey Zeichnungen übrigens wurde folgender Aufsatz des Künstlers an Stolberg gesandt:
"Diese drey Gestalten müßten, damit sie so wie ich es wünschte verstanden würden, dorthin gestellt werden, wo Oscar aus dem Kriege von Inisthona zurückkommt, da, wo in der Reihefolge der Gedichte die Lieder von Selma vorkommen. Sie sollten nach meiner Meynung die vorhergehenden Gedichte in drey große Abschnitte theilen; so daß bey einer vorzunehmen" den Bearbeitung des Ossian's in dieser Art, da die nachfolgenden Gedichte sich auch wieder in drey Abschnitte theilten, das Ganze in sechs Abtheilungen (Hefte) zerfiele.

Nachdem ich mir einen schriftlichen Auszug von den Bil-dern gemacht habe, durch alle Gedichte Ossian's, welche und wie viele Darstellungen erforderlich waren, um in einem Cyklus jedes Gedicht zusammenhangend mit dem Ganzen zu versinnli" chen, sehe ich, daß ein schöner einfacher Plan darin liegen und auch durchgefühlt werden kann. Diesen wollte ich vorerst nur in einem kürzeren Auszuge darzustellen suchen. Die drey Theile der ersten Hälfte würden sich schließen mit den Liedern von Selma, oder mit diesen drey Bildern, wo die Geister dieser drey Helden sich erheben; und jede Abtheilung würde enthalten, als:

l. Cathloda.
Comala.
Carricthura.
Carthon.
2. Oinamorul. Colnadona. Oithona.
In diesen bildet und offenbart sich der Geist und die Gesinnung Fingal's.
in welchen Ossian's Geist und Bildung
Croma. "Mndet ^.
Calthon und Colmal.


3.Der Krieg mit Caros. Cathlin von Clutha. Sulmalla von Lumon." Der Krieg von Inisthona.

wo am Ende Ossian jauchzend sich erhebt über Oscar, den Fin-gal begrüßt hat und der mit dem Schwerdt aufgetreten ist.

1. Fingal's Siege sind in (oder über) Lochlin, und er steigt
mit der Sunne von Osten herauf.
2. Ossian's Siege sind in den Inseln (meistens im Nor"
den) und er wählt sich Concathlin (den Nordstern) zum Zeichen.
3. Oscar schlagt den Feind am Lego-See, und steht wie
der Abendstern im Westen.
(So stehen die drey Helden in meiner Ahnung, wie hier vor den Augen des Beschauers, und treten uns in den Liedern von Selma so vor die Seele. Nun erheben sie sich zum Kampf.)
Fingal's Schild ist die Sonne; er kommt, Trenmor's Gedanken zu erfüllen; jeder Tritt ist mit Thaten bezeichnet und jeder Streich seines Schwerdtes entscheidend.
Oscar folget dem Fingal, ihn beschauend mit kindlichem Gemüth, und steht oft wie der Abendstern oder der schmale Rand des Mondes über der sinkenden Sonne, wenn Fingal ruht auf Trenmor's braunem Schild.
Ossian greift fast mehr zur Harfe wie zum Schwerdt. In seinem Geiste wogt der gewaltige Thatenstrudel der Söhne von Selma wie ein ganzes Gebild; daran erhebt er sich über die Hügel der Gefallenen mit der tönenden Harfe.
Wie Oscar sich beschauet, und folgt den gewaltigen Thaten Fingal's - so wird Ossian von dem wundergroßen Zusammenhange der Unendlichkeit ergrissen und er strömet ihn aus in Gesang, brausend wie Trenmor im Wirbelwinde sein Geschlecht heimsucht auf den Hügeln Morven's; singend in der Hitze des Mittags.
Die Siege Trenmor's waren gegen die überfiuthenden Welt-könige, die Römer*), gegen Süden, und so ist ein wunderschönes Spiegeln und Flimmern in dem Beschauen dieser vier Gestalten, und aus ihrem Verhältniß zu einander.

*) Die Gründe, aus welchen die Kritik später die Annahme Macpher-ftn's, daß die Römer in diesen Gedichten vorkämen/ und ein so hohes Alter derselben, widerlegt hat, waren unserm Verf. natürlich noch unbekannt.

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Wie die Sonne langsam schreitet in ihrer Kraft, und de" Mond ein lieblicher Bote ist, von ihr ausgehend und zu ihr kehrend, so ist Dssian's Geist schicklich zu vergleichen dem reinen menschlichen Geist, der diesen Boten empfängt.

Auf diese Art eingetheilt würden die drey Gestalten am Ende der drey ersten Abtheilungen, in welchen die drey Helden, Vater, Sohn und Enkel, sich erheben, erforderlich seyn.
In der zweyten Hälfte weiden diese Gestalten aufgelöset, und höher bedeutende, diesen analoge Bilder würden hier die drey lezten Abtheilungen schließen.

Wenn in dem Gedichte Fingal sich die Söhne von Sei" ma zum Kampf erheben, Fingal das Panier hoch und groß wie der umwölbende Himmel wehen läßt, die Schlacht in ihrem Wirbel Erin und Lochlin verschlingt, Fingal ringend mit Swa" ran, die Sehnenkraft in einander geschmiegt, durch den Kampf ihn in seine Gewalt verschmilzt, da, wo Swaran den Stein aufrichtet, Fingal sagt: "Heute ist unser Ruhm am größten ..." das ist der Ruhm in Trenmor's Halle, der besteht, wann selbst die Sonne vergeht; so verklärt oder offenbart sich der Geist Trenmor's (und ein Fleck, der dennoch bey einer solchen Offenbarung in das Wesen Trenmor's kommen muß, ist der Uebelfall Lathmon's vor Selma während dieser Schlacht).

Auf gleiche Weise offenbart oder verklärt sich Fingal's Geist und Wesen in dem Gedicht Temora. . Und im Gedichte Verrath on der Geist Dssian's.
Ich wüßte mich nicht besser zu erklären über das Ganze als so -. Wenn ich den Zusammenhang in der ersten Hälfte sy bezeichne:
Fingal. Dscar. Dssian.
Sonne. Mond. Eide.
gebend. bringend. empfangend.
so ist hier in der zweyten Hälfte das Verhältniß auf ähnliche Art -.
Trenmor. Fingal. Dssian.
Licht. Strahl. Raum.
Wenn die Sonne angesehen wird wie das Wort des Wesens, des Ruhms, der bleiben wird, wenn auch die Sonne vergeht, so ist es belebend gerichtet zum unendlichen Raum, und in sofern erscheint hier die Sonne wie der Bote, oder wie der Mond in einer höheren Potenz, der einst wieder verschlungen wird in den Abgrund der ewigen Liebe.

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Das, was vergeht, ist die Jugend, die Gestalt, die Kraft, kurz Oscar, und über dieses alles erhebt sich zulezt Ossian's Geist, und es ist, als wollte 4N ihm die ganze irdische Gestalt mit der Erde selbst sich auflösen in den alles umspannenden tönenden Raum, der den Lichtstrahl lebendig zu empfangen allein im Stande ist.

Eben wegen dieser Auflösung aller Form laßt sich die lezte Hälfte nicht so in Gestalten zusammenfassen, wie hier die erste; eben weil diese vergangen sind. Es können allenfalls compo-nirte geistige Gegeneinanderstellungen seyn, die durch alles Vorhergehende sich selbst bilden, und wobey ich nichts zu thun hätte, als sie zur Anschauung zu bringen; Bilder, die zulezt, um schließen zu können, erforderlich, und deren Darstellung deswegen nur möglich wäre, unmöglich aber als auf sich beruhende Gestalten, wie die drey zu der ersten Hälfte, sondern Auflösungen von diesen.

Nachdem so das Ganze durchgefühlt wäre, würde es erst möglich seyn, ohne sich in's Unendliche zu verlieren, aus jedem Gedichte ein Ganzes für sich in einem Cyklus zu bilden. - P. O. Runge."

Eben so erklärte er sich gegen Tieck in dem schon angeführten Briefe nach Rom, und setzte dort noch hinzu:

"Es kommen nun in der Ausführung Dinge vor, wie die Bekleidung u. s. w. Da die Gestalten immer wechseln, so ist es durch diese äußerlichen Zeichen allein möglich, sie festzuhalten, und die würden denn bleibend und kenntlich aus einem festen Princip durchgeführt. Das Ganze fällt auch hier in vier Theile, in Möwen, Lochlin, die Inseln, und Erin. Die Schilde von Morven wären rund, die von Lochlin viereckt, von Erin sechseckt, von den Inseln geflochten; so im Verhältniß die Bekleidung, Helme, Schwerd-ter; alles dieses schmilzt nun durch Variationen wohl ineinander, doch kann kein völliger Uebelgang eintreten. - Ich hoffe mich bey dieser Arbeit so einrichten zu können, daß ich nicht vom Mahlen abkomme; halte auch dafür, daß ich, ohne die Geschichten auszulöschen oder zu entstellen, sie eben in diesem Zusammenhange deutlicher herausarbeiten werde."


Bald aber kam alles von Stolberg mit gereizter Bezeugung der größten Abneigung und äußersten Widerwillens zurück; er scheint in seiner damaligen Stimmung oder Verstimmung nicht allein ausgemachte literarische Partey (da doch unser Künstler

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dieses aus sich heraus, fern von aller Partey, und, wo ja etwa eine solche anzunehmen seyn konnte, grade wider den Sinn derselben gearbeitet hatte), sondern wohl gar mit Schaudern baare Pantheisterey gewittert oder vermuthet zu haben. Runge schrieb darüber [http://ask23.hfbk-hamburg.de/draft/archiv//por/por_03_bvr/por_03_bvr_1805_undat_01_tzr.html
an seine Geschwister]:
"Ich dachte an die Herausgabe des Ossian's etwas zu knüpfen, das mir von Nutzen seyn könn" le; die Gelegenheit ist mir aber durch Stolberg benommen, der meine Gedanken für Schlegelisch u. s. w. schilt, und nicht durch meine Vignetten die Welt will glauben machen, daß er an der" gleichen Gesinnungen einen Gefallen fände. Das wäre nun schlimm für mich, wenn ich die harten Ausdrücke des Mannes verdiente, aber auch so ist es schlimm, daß mir die Gelegenheit entgeht, irgend etwas zu Tage zu fördern. Die Noth kommt aber von Gott und ein fröhlicher Muth dabey ist doch noch besser. St. will die Zeichnungen nicht haben und hat sich ordentlich feindlich dagegen geäußert, was mir leid thut, der Sache aber doch nichts nehmen kann. und mich bloß darauf hinweiset, nicht würklich etwas unrechtes zu thun." -

Ja, wie fest in sich gegründet seine Ueberzeugung von dem Werth und der Tiefe seiner Ansicht in dieser Materie blieb, erhellt am besten aus einem Briefe, den er bald darauf, den 3. May 1805, an Quistorp schrieb, worin Folgendes:

"Wenn wir uns wieder sehen, werde ich Ihnen mit den Bestätigungen meiner früheren Ahnungen, und mit gewissen und bestimmten Entdeckungen über die wissenschaftlichen Elemente meiner Kunst, gewiß viele Freude machen. Mir kann oft recht himmlisch zu Muthe weiden, wenn mir etwas auszuführen gelingt, wovon ich sonst wohl schon die Ahnung gehabt, und innere und äußere Umstände arbeiten sich für mich immer mehr zu einer lebendigen umfassenden Ansicht aus. Vorzüglich habe ich mein Augmerk auf eine Bearbeitung, und einfache, durch unsre Kunst versinnlichte Darstellung des Zusammenhanges in dem Ganzen der Gedichte Ossian's gerichtet. Es ist dieses Ganze von mir ziemlich durchgearbeitet, und ich glaube, die äußere Gestaltung der inneren geistigen Erlebungen, die in diesen Gedichten zum Grunde lieget, würde, zusammenhangend und mit Liebe an den Tag gebracht, der Neigung, die immer zu diesen Gedichten vorgewaltet hat, eine recht wohlthatige freudige Wendung geben; man würde lernen, durch die tragischen Begebenheiten der Zeit hindurch zu der hohen freudigen Empfindung Ossian's zu gelangen. - Uebrigens auch scheinen mir alle Ereignisse und Empfindungen, die sich mir zu Darstel-


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lungen darbieten, mich immer mehr dahin zu führen, die Erfüllung von der Ahnung Pauli deutlicher sehen zu lassen, "daß "auch alle Creatur frey werden wird von dem Dienste des verfänglichen Wesens, denn nicht allein wir, sondern auch sie sehnt "sich noch immer nach der Erlösung." (Rom. VIII.) Diese Hoffnung ist nun keine gewisse Erkenntniß, denn sonst wäre Hoffnung, wie der Apostel auch bemerkt, nicht Hoffnung; jedoch will es mir deutlich werden, daß, wenn, wie im Orient den Menschen der Erlöser geboren wurde, so im Occident in den einfachen Elementen der Natur dem Geiste einer Nation die Hoffnung eines ewigen gestaltlosen Wesens in der Halle des Ruhmes aufging, dieses wie ein leiser Spiegel ist, und Ahnung der Welt selbst, von dem Geiste, der über sie gekommen. So auch, wenn im Menschen der Geist der Liebe erweckt ist, und durch ihn und in ihm Gottes Wunder erscheinen in der unsichtbaren Welt, tritt die äußere Welt wie ein Spiegel dieser innern Herrlichkeit vor ihm auf, und er kann und will nur dies einige herrliche Bild lieben und in allen Wesen erkennen; so löset sich zu-lezt in ihm die Creatur auf zum Wesen, und die Gestalten seiner Gedanken, die er als vergängliches Ding einschlingt in den Abgrund seines liebenden Wesens, und sich selbst aufgiebt in Gott, sind so ihm ein Würken der Bescheidenheit, daß er auch alle natürlichen Erkenntnisse versenket in die ewige, und die Wahrheit nur in Gott findet. - Verzeihen Sie meine Undeutlichkeit und daß ich überhaupt jetzt so etwas habe schreiben wollen-." Im folgenden Jahre schrieb er aus Wolgast am 17. May an D. : "Der Ossian liegt noch, und ich wollte mich nicht gerne daran machen, ehe ich nicht in Einer Sache erst recht sicher im Gange wäre," und am 14. Iuny, daß er doch noch eine Skizze zum Ossian gemacht habe; ja noch am 4. December an Goethe : "Der Gegensatz der Töne (in den vier Tageszeiten) war es, worüber ich Ihnen noch gern etwas mitgetheilt hätte, so wie auch einige Skizzen und allgemeine Ideen über Ossian, die vielleicht nicht gradezu zur Würklichkeit gekommen wären, die aber zur würklichen Erscheinung der schon berührten Farbentheo" rie mir vielleicht am meisten den Weg bahnen." - Mittlerweile war Tieck aus Rom zurückgekommen, jedoch vernahm R. nur von Freunden, wie er sich verwundert habe, daß er auf den Ossian gekommen sey, und etwas da herausbringen wolle, das nicht darin liege. Hierüber schrieb ihm R. aus Hamburg, den 18. August 1807 : "Ich bin mit meinen Gedanken nicht von

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Ihnen gewesen, liebster Freund, wohl aber manchmal böse; das waren aber meine Gedanken von Ihnen: Ich habe vor zwey Jahren recht wunderbare Gestalten gesehen, wie ich zuerst den Ds-sian las und mich dünkte damals, ich würde es alles machen können; es ist mir einerley, wie Sie über den Dssian denken; wenn ich es Ihnen einmal zeigen könnte, welche herrliche Gestalten mir darin aufgegangen, und das würde ich, könnte ich nur bey Ihnen seyn, so würden Sie mich verstehen. Es ist einerley, ob ich es nun so darstelle, oder auf eine andre Art; genug, wenn ich bey der Arbeit bleibe, kommt es doch heraus. - Könnte ich nur Menschen finden, die fähig wären zu sehen, wie es blitzt und sich spiegelt in der Welt von unendlichem Leben und Klarheit, sie müßten alle mahlen lemen, und so, wie es noch nicht geschehen ist."

Indem wir auf die eigentlichen Compositionen, die sich R. zu den Dssianischen Erzählungen gedacht hat, übergehen (deren große Anzahl er aber in der Ausführung auf eine weit kleinere beschränken wollte), wollen wir zweyer zuvörderst erwähnen, die zur Einleitung bestimmt waren, die er jedoch hernach verwarf, obgleich sich über die erstere schon eine Zeichnung vorfindet. Sie bezieht sich auf die Angabe Macpherson's von einer Sage, daß Fingal grade an dem Tage geboren sey, als sein Vater Comhal, in einer Fehde mit dem Geschlechte (Clan) Morni's begriffen, siel. Der Künstler sagt: "Comhal's Kraft ward überwunden, da wurde Fingal geboren, der junge Strahl von Selma. Er ist der Sonne gleich, heiß und ermüdend im Streit, warm und milde nach dem dunkeln und trüben Kampf. - Bild: Eomhal sinkt; die Sonne geht auf über Selma, mit ihr wird Fingal geboren." - In der Zeichnung liegt der alte Comhal zur Erde auf seinen Schild niedergesunken und wird von einem vor ihm stehenden Jünglinge mit dem Speer erstochen; ein andrer zeigt zu der Burg Selma nach hinten hinauf, die halb von Gebüsch verdeckt ist. Die Figuren sind gänzlich nackend. Rechts zwey behelmte Greise mit Speeren, auf ungeheure Schilde gestützt; links Fliehende. In einem Bilde am bemoosten Giebel von Selma sieht man das Kind, schon den Speer haltend, aus dem Schooße der vor ihm hingestreckten Mutter aufspringend. Hinter Selma die Sonne, über derselben ein Stern.
Die zweyte Composition geht auf die Erzählung Starno's in Cathloda, dritter Gesang, von der Entstehung des Hasses

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zwischen ihm und Fingal. "Starno, Annil's Sohn, ist der finstre Fürst von Lochlin. Er erschlug einst - als sein Vater gestritten hatte mit "dem (Corman), der die Seele seiner Tochter (Foina) liebte, und überwunden war - die Schwester und ihren Geliebten im Schlaf, da lachte die Hölle in Annir's Seele. Starno, der finstre Sohn, hat nun (im Gedichte Cathloda) die Herrschaft von Lochlin. Fingal, der Sohn des lichten Sel-ma's, hatte vorhin Agandecca, die Tochter Starno's, geliebt; überwunden war Starno von Fingal, dafür wollte er ihn auf der Jagd ermorden; Fingal's Geliebte warnte diesen und er erschlug seine Mörder; da rannte Starno die Agandecca nieder. Swa" ran, ihr Bruder, trauerte um die Schwester, doch stritt er gegen Fingal'n in der Kraft seiner Jugend. - Bild: Annir, trauernd unter erschlagenen Haufen, wird erfreut durch Starno's blutige Lanze, triefend vom Blut der, auf einsamem Hügel im Schlaf erschlagenen, Schwester und ihres Geliebten."


Die acht großen (mehr oder weniger ausgeführten) Zeich" nungen zu den beiden ersten Gesängen von Cathloda enthalten folgende Gestalten: 1) Links sieht man Swaran stehend, Starno niedergekniet und scharf nach der rechten Seite hinschauend, beide mit ihren Speeren und sechseckten Schilden, gepanzert. In der Mitte ihr Bote, die Antwort Fingal's vernehmend und umkehrend. Er ist in eine Thierhaut gehüllt und halt den Speer. Rechts das Schiff mit gespanntem auf das Land gelichteten Segel; in demselben der sehr jugendliche Fingal, den Boten bedeutend, hinter ihm die Sonne. Vier Gefährten sind mit dem Schiffe beschäftigt. - 2) Felsengrotte, in welcher Conbana mit fliegendem Haar gefesselt steht (den Blick links hin nach Swaran gerichtet) und von Fingal gelöset wird, der hinter ihr stehend den Speer an den Fels gelehnt hat; ein Geist, den Speer vorgestreckt, fliegt über ihnen rechts hin, wo man im Hintergrunde Schiffe und Mannschaft wahrnimmt, ss wie links unter Tannen Swaran und Starno, sich besprechend. - 3) Rechts zwischen aufgerichteten Steinen (Rauch um deren Spitzen) stehen rathschlagend Swaran und Starno, ihre Speere haltend, die Helme zur Seite niedergelegt; über ihnen die schreckliche Gestalt des Geistes von Loda, beide Arme über Wolken hinstreckend. Links, weiter nach hinten, unter kahlen Eichen, Fingal lauschend. - 4) Fingal mit Speer und Schwerdt (ein Blitz hinter ihm) hat Swaran, der den großen Schild vorhält, hen Helm vom Haupte geschlagen; der Speer des lezteren ist


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links in einen Baumstamm gefahren. Rechts weiter nach hinten sieht man wieder die Opsersteine, zwischen welchen Starno fortgeht, das schreckliche Haupt von Luda über ihm in Lüsten. - 5) Fingal kommt links von einem Hügel, von welchem sich Gewölk vor ihm herabrollt, er trägt am Speer einen ächtesten Schild, und hebt den erbeuteten Helm in die Höhe. In der Mitte liegt Conbana auf dem Rücken hingestreckt und stirbt; ein Regenbogen steigt von ihr wie eine Brücke nach den Wolken rechts hinauf, wo die Geister der Väter sie empfangen. Rechts Tannen und Felsen. - 6) Ganz links im Hintergrunde Mannschaft in Waffen. Fingal (die Sonne hinter ihm) kommt vom Hügel, Swaran's Helm und Gewölk wälzen sich vor ihm herab. In der Mitte steht ein Krieger, ihn zu sich rufend, mit seinem Schilde, ein andrer den Speer vorwärts streckend, wendet den Blick nach der rechten Seite zurück zum Heere, ihm folgen noch zwey Rufende. Gewaffnete rechts im Hintergründe, weiter nach vorn sitzt ein Barde mit der Harfe auf einer Anhöhe. - 7) (sehr ausgeführt). Links hinter einer Tanne Swa-ran in voller Rüstung, wie es scheint beobachtend. Rechts hinter einem Felsstücke der Barde, die Harfe rührend, weiter hinten unter einer entlaubten Eiche Fingal, das Horn blasend, die Sonne hinter ihm. Den bey weitem größten Theil des Blattes füllt das Getümmel und Gewühl der Schlacht; die von Lochlin werden nach vorne hin über den Strom geworfen, erschlagen" erstochen, oder fliehen. - 8) Links sitzt ein Krieger sinnend; im Hintergrunde bewaffnetes Volk. In der Mitte steht ein andrer, sorgenvoll vor sich hin auf den Schild niedersetzend; dann Fingal, von einem hohen Gedanken erfüllt, den Speer emporhebend; vor ihm ist Düthmarun im Erzählen niedergesunken. Rechts unter einer kahlen überhangenden Eiche stehen und sitzen die wehmuthsvollen Helden.
Folgen lassen wir jetzt des Künstlers Andeutungen von Bildern (oder doch der Stellen, wo deren hingehören würden) zu den einzelnen Gedichten und Gesängen Ossian's in derselben Rei-hefolge wie bey Stolberg; so wie seine eignen Ausarbeitungen über diese Werke: alles herausgelöset aus dem großen schriftlichen Auszuge (häufig einer bloßen wörtlichen Abschrift), den er sich von dem Stolbergischen Manuscripte gefertigt; auch die lyrischen Stellen, welche das Gemüth des Künstlers am meisten in Anspruch genommen. Die Bilder bezeichnen wir, wie bey ihm geschehen, mit Nummern der Reihe nach, und fügen mei-

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stens die Zahlen der Verse in der Stolberg'schen Ucbelsetzung, auf welche sich jedes Bild beziehet, des bessern Verständnisses wegen, bey. Die Naturschilderu"gen, oder Angaben des Colo-rits (cinigermaaßcn musikalischen Phantasien ähnlich), zeigen wir durch einen + an, und lassen die allgemeinen Gedanken über jedes Gedicht immer zulezt folgen.


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