Daniel Runge et al.
Die Heymonskinder
Die Heymonskinder
Zwey Zeichnungen in scharfen Federumrissen, als: 1) Karl der Große und Ritter Heymon, als Charakterbilder gegeneinander gestellt, jeder mit einem breiten Arabeskenrahmen. 2) Bischof Turvin und Frau Aja, desgleichen; die Rahmen unvollendet. 1804 - 5 in Hamburg.
Ueber die Entstehung dieser Entwürfe (nur nach dem bekannten Volksbuche) und die weiter gehegten Absichten bey denselben stellen wir am besten hier dasjenige voran, was der Künstler darüber wie folgt den 9. März 1810 an Prof. Görres in Coblenz geschrieben:
"Auf Veranlassung Ihres Anerbietens an Perthes, die Heymonskinder betreffend, bin ich so frey, Ihnen nur einiges über das zu schreiben, was ich zu diesem Gedichte entworfen hatte, und worüber mir Herr Brentano auch kürzlich geschrieben hat. Die Lust sowohl an der Geschichte selbst, als das Interesse, welches die Flarman'fchen Umrisse erregten, machten mich glauben, es werde eine leichte Sache seyn, in einem geschlossenen Cyklus dieses Gedicht durch ähnliche Contoure dem Beschauer vorüberzuführen; ich fing es indessen zu gründlich an, und es blieb aus guten Ursachen liegen, ehe noch zwey Zeichnungen fertig waren. - Bey der lebhaften Vorstellung von allen den herrlichen Gestalten und Handlungen in diesem Gedicht, leuchtete mir damals bald ein, es sey doch eine andre und schwierigere Unternehmung als die Flaxman'sche; indem die Helden nicht so bekannte Personen in dem Kreise der Kunst sind. Ich wollte deswegen die vornehmsten Handelnden erst gewissermaßen physiognomisch Portraitiren, und zwar immer zwey, von analoger Bedeutung in der Geschichte, zusammenstellen. So ist die erste Zeichnung: der alte Kaiser und der alte Heymon" die beiden Personen, durch welche der Krieg erregt wird;
beide sind mit bedeutenden Rahmen umgeben, welche ihr Leben durch Attribute charakterisiren. Auf dem zweyten Blatte sind zusammengestellt: der Bischof Turpin und Frau Aja, die beiden Friedenstiftenden in der Geschichte; was beym Bischöfe die himmlische Harmonie, das ist bey der Frau die harmonische Verbindung in der Familie, und so beweisen die Rahmen wieder Analogie. - Auf dem dritten sollte Reinold kommen und der Prinz Ludwig, den er nachher todtschlagt. Das vierte enthielte dann die drey Brüder, mit den drey Helden Roland, Olivier und Ogier, - und noch einige solche Blatter; das Roß Bayard sollte nicht ausgeschlossen seyn. Dann sollten die Geschichten erst kommen in sieben Abtheilungen, wo die siebente die Heiligengeschichte Reinold's ausmachte, und jede Abtheilung sollte eben so aus sieben Bildern bestehen, so daß die lezte Vorstellung immer einen bestimmten feyerlichen Ruhepunct machte. Sie sehen, daß die Sache zu weitläuftig gedacht war, und nothwendig liegen bleiben mußte. Seitdem hat eine verschiedene Richtung in bildlichen Eompositionen nach der andern mich ergriffen, und ich habe endlich einsehen lernen, daß der Einzelne sich einspinnt, wenn der lebendige Moment der Gegenwart noch nicht so von ihm berührt werden kann, daß alle Traditionen uns gegenwartig erscheinen -. Sollten Ihnen in" deß die Zusammenstellungen der Personen bey Herausgabe des Gedichtes dienen können, so möchten sie wohl so weit leicht ausgeführt werden können, und ich zweifle nicht, daß wir uns darüber verständigen würden."
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Von den beiden einzigen Charakterbildern nun, welche von allem Angefühlten nur entstanden sind, haben wir Folgendes zu berichten: Kaiser Karl im Harnisch und in voller Rüstung, eine Krone auf dem Haupte, auf welcher ein Adler sich herüber-beugt, eine Kette schräg über der Brust, das Schwerdt zur Seite, steht mit der linken Hand auf das Scepter gestützt. Im Rahmen ist unten ein Kreisbild, worin der Iesusknabe mit dem Lamm; von diesem Bilde aus geht nach jeder Ecke hin ein Adler" in der einen Kralle ein Schwerdt haltend, mit der andern den starken Speer fassend, der an jeder Seite in die Höhe geht, mit Rosen- und Lilienzweigen umwunden, die über dem Speer ihre Blüthen zeigen, wo in jeder oberen Ecke eine Fama steht und nach der Mitte daselbst hin die Posaune blaset, wo auf einem Kissen Reichs- und Hauskrone, Scepter und Schwerdt ru"
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hen. Heymon andrerseits, eine corpulente Figur, steht eben so voll gerüstet, den Helm auf dem Haupt, in der linken Hand den großen Schild, mit der rechten den aufgestellten Speer haltend. Unten im Rahmen ein Rundbild, worin der gekreuzigte Heiland; von diesem geht nach rechts und links ein Löwe aus, ebenfalls mit der einen Pratze ein Schwcrdt, mit der andern den hinaufgehenden Speer haltend, um welchen durch Lorbeerzweige Türken- und Heidenköpfe und oben eine Krone gebunden sind, und dann stehen in den oberen Ecken links Heymon, rechts Frau Aja in voller rittermäßigen Kleidung, die Hände zum Gebet faltend, nach der Mitte hin, wo ein Helm steht, umgeben von der heiligen Dornenkrone und über demselben die heiligen Nägel, Reliquien, die der Ritter aus Palästina geholt hatte. - Auf dem andern Bilde dieser Art steigt der ErzbischofTurpin in voller geistlichen Amtskleidung, gleichsam flüchtend, in der linken Hand den Bischofsstab haltend, die Stufen zu einem Altar hinan und faßt mit der rechten das auf demselben stehende Crucifix. Auf seinem herabhangenden Latz sieht man einen daniederliegenden Heiligen mit Standarte in der Hand als Sti" ckerey angedeutet. Im Rahmen ist an der rechten Seite ein Knabe mit einem Rauchfaß durch schwache Bleystiftstriche angegeben. Oben ein strahlendes Symbol der Gottheit, um welches her Engel und Heilige anbeten und musiciren. Frau Aja, jugendlich, eine kleine Krone auf dem Haupte, im weichen Schlepp-gewande, über welches ein feiner Schleyer geht; sie halt mit diesem durchscheinende Rosen und Lilien verborgen, ihre vier Söhne andeutend, die sie dem Eide ihres Gemahls wider den Kaiser, sie nach der Geburt todten zu wollen, entzogen hatte. Im Rahmen oben nur ganz schwach mit Bleystift angedeutet in der Mitte das sich baumende Roß Bayard mit Reinold, links in der Ecke die drey andern Brüder, sich anfassend. - Auf einem Papier finden wir die zu entwerfenden Charakterbilder in folgender Ordnung verzeichnet: 1) Kaiser Karl. 2) Heymon von Dordogne. - 3) Heymerin, Hugo, Vetter Malegys- 4) Frau Aja, 5) Bischof Turpin. - 6) Reinold. 7) König Ludwig. - 8) Adelhard, Ritsart und Writsart. 9) -
Ferner hat Runge sich statt der sieben, im Briefe an Görres angegebnen geschichtlichen Abtheilungen deren acht aufgezeichnet wie folgt: 1) Von dem Zorne des Kaisers Karl und dem Morde Hugo's bis auf die Geburt Reinold's. 2) Vom Abschiede
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des Königes Ludwig aus dem Kloster bis auf die Flucht der Heymonskinder mit dem Rosse Bayard. 3) Von der Ankunft bey dem Könige Saforet in Spanien bis auf die Erbauung der Festung Montalban. 4) Von der Belagerung Montalban's bis auf die Befreyung der Brüder Reinold's durch Malegys. 5) Von der Entsetzung von Cöln durch Roland, bis Reinold mit Malegys von dem Könige Karl die Krone gewinnt und sie zu Montalban ankommen. 6) Von Vgier's Turnier mit Goutier, bis Ritsart wieder errettet wird. ?) Von Malegys' Gefangennehmung bis auf den Tod des Rosses Bayard. 8) Reinold's Heldenthaten in Palästina bis auf Malegys' Tod, und Reinold's heilige Mirakel, Tod und Kanonisirung. - Die sieben Bilder zur ersten Abtheilung sollten nun folgende seyn: 1) Hugo's Mord. (Wie der Kaiser den Hugo erschlagt und sich der Krieg zwischen ihm und Heymon anfangt.) 2) Schlacht, worin Heymon siegt. (Wie Hugo's Tod gerochen wird, und wie Heymon und Heymerin aus dem Lande verbannt werden.) 3) Heymon's Verbannung. 4) Gesandtschaft des Königs Karl an Heymon von Dordogne (um Frieden zu schließen). 5) Heymon wird mit Frau Aja vermählt. (Wie Hcymon König Karl's Schwester Aja zur Ehefrau nahm, und Söhne mit ihr bekam ohne sein Wissen, und wie sie ihre Kinder heimlich erziehen ließ.) 6) Heymon kehrt mit der Dornenkrone und den Nageln aus Palästina zu" rück. 7) Reinold's Geburt. - Noch finden wir von R. folgende unvollendete Uebersicht dieser Geschichten: "König Karl's ungerechtes Benehmen gegen Heymon und der Mord Hugo's erbittern und beschimpfen Heymon und sein Geschlecht, woraus der Krieg entsteht. Karl sieht seinen Fehler, bereut ihn, weil er ihm schadet, möchte gern den Heymon nicht zum Feinde haben, und ist gezwungen, ihm seine Schwester zu geben. Heymon, der in seinem gerechten Zorn die Ursache wohl fühlt und merkt, wird noch mehr erbittert durch die schimpfliche Behandlung an Karl's Hofe, der feinen Grimm noch nicht unterdrücken kann, zieht heim und schwört, allem, was aus Karl's Geblüt ist, das Leben zu nehmen; worüber Frau Aja die Kinder, die ihm geboren wer" den, aus Furcht heimlich erziehen laßt. Wie Heymon aus dem gelobten Lande wieder kommt und die Dornenkrone mitbringt, zeugt er den Reinold. Heymon's Kinder werden mit Ludwig zusammen im Kloster erzogen; beide Theile haben Nachricht von
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dem Zwiste der Eltern; Reinold überwachst im fünfzehnten Jahre den Ludwig um einen Fuß und erregt dessen Neid. - König Karl will seinen Sohn Ludwig zum Könige krönen lassen; Bischof Turpin widersetzt sich dem, da Graf Heymon nicht da ist; es werden Boten an ihn gesandt, und Frau Aja entdeckt ihm seine Kinder-, er schlagt darauf seine vier Söhne zu Rittern und Reinold bändigt das Roß Bayard. Dann reiten sie gewaffnet mit den Gesandten und Frau Aja nach Hof; der König Karl kommt ihnen mit dem ganzen Hofstaat und Herren und Damen entgegen. Bey Tische schlägt Reinold den Koch und den Mar-schall todt und nimmt sich und seinen Brüdern mit Gewalt Essen, so ihnen verweigert worden. König Ludwig giebt ihnen keine Betten, und Reinold jagt dreyßig Edelleute aus ihren Betten und legt sich und seine Brüder hinein. Am Morgen wird König Ludwig gekrönt und die vier Brüder tragen den Himmel über ihm. - Bey der Krönung bringen zwey Tauben Del, Kerzen u. s. w. vom Himmel. Reinold und seine Brüder haben Aemter am Hofe erhalten. König Ludwig belehnt darauf alle Herren am Hofe, König Karl aber die Heymonskinder, worüber Ludwig sich erzürnt und sich vermißt, im Steinwurf der erste zu seyn. Reinold, auf Zureden seines Vaters, der ihn vom Spiel vor schönen Damen abholt, die alle folgen, überwindet Ludwig im Spiel. Guillon, Rode, und Macharus Fouken bereden Ludwig, mit Adelhart um seinen Kopf zu spielen, den Adelhart gewinnt, und ihm vergiebt. Ludwig schlägt ihn mit dem Spielbrett in's Gesicht, welches Adclhart dem Reinold im Stall erzählen muß; worauf Heymon mit den Brüdern, Frau Aja, und ihrem Vetter aus der Stadt ziehen, Reinold aber mit Adelhart nach Hofe geht und dem König Ludwig den Kopf abschlägt. Darauf eine große Schlacht, worin Heymon und Frau Aja gefangen werden, die vier Söhne aber reiten auf dem Rosse Bayard davon. - Heymon und Frau Aja müssen schwören an St. Dionysii, daß sie den Reinold und seine Brüder gefangen liefern wollen. Reinold reitet mit seinen Brüdern zum Könige Saforet in Spanien, wo sie aufgenommen werden, Reinold ihm aber wegen Vorenthaltung seines Schatzes das Haupt abschlägt -; reiten auf dem Roß Bayard davon und nehmen den Kopf mit, das Volk jagt ihnen nach, sie wehren sich aber sammt dem Roß Bayard und kommen zum Könige Vvo, der sie aufnimmt; schenken ihm das Haupt Saforet's. König Karl will sie haben, Vvo
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schenkt ihnen aber die Freyheit und giebt dem Reinold seine Tochter zum Gemahl; dieser baut darauf das Schloß Montalban auf einem Felsen. - König Karl sieht das Castell, wie stark es gebaut ist, belagert es, muß aber wieder abziehen. Dann ziehen Reinold und seine Brüder als Pilgrimme nach Pierla" pont, um ihre Mutter zu besuchen; der Reinold betrinkt sich, die drey Brüder weiden, nachdem Reinold vorher den Hcymon gesänglich nach Hose geschickt hat, gefangen gemacht. So belagert nun König Karl Pierlapont und Frau Aja läßt den Reinold entfliehen. Darnach kommt Reinold mit Bayard nach Paris, schickt einen Boten an König Karl ab, um Frieden mit ihm zu schließen. Dem Neinold wird das Roß Bayard gestohlen und sein Vetter Malegys hilft ihm solches wiedergewinnen-."
Der Kupferstecher Forsmann in Hamburg, welcher eine Fabrik von Spielkarten errichtete, hatte eine Reihe von Bildern dazu sehr sauber gravirt, und bat, da ihm der Herzenbube nicht gefiel, unsern R., ihm einen bessern zu zeichnen. Dieser machte ihm einen sehr empfindsamen, den jener dann eben so ausführte. Späterhin kam F., der mehr Dauerhaftigkeit seines Fabricats wünschte, auf den Gedanken, Figuren in Holz, auf die damals noch neue Weise, welche eine unendliche Zahl von Abdrücken gestattet, schneiden zu lassen. R. zeichnete und colo-rirte eine ganze Reihe derselben; bald aber lieferte er die Zeich> nungen zu noch vollendeteren, in welchen die Schraffirung ausdrücklich für den Holzschnitt berechnet war. Sie sind eine Zeitlang in Hamburg in Gebrauch gewesen, und die Formen jetzt im Besitz des Hrn. G. Reimer in Berlin. Man findet auf den Blättem die herkömmlichen Namen, als bey den Königen auf Pique Oavicl, Treff ^loxan^re, Carreau de^ai^ Coeur t! Karle", bey den Damen auf Pique ?alla,<>, Treff ^r-ßine, Carreau H"tker, Coeur ^u6itii (auf den gewöhnlichen Karten fast immer 5u6io). Durch Ueberlieferung ist bekannt, daß die Bedeutung, wie bey den Königen auf die vier, als die großen Weltmonarchen angesehenen (David von Iuda, Alexander von Macedonien, Cäsar von Rom, und Karl der Große), so bey den Damen auf vier Frauen aus der Zeit Karl's VII. von Frankreich ging, indem durch Pallas auf Johanna von Arc oder die Jungfrau von Orleans, Argine (Anagramm von ke> ßiu") auf die königliche Ehegemahlin Maria von Anjou, Esther
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(auf anderen Blättern Rachel) auf Agnes Sorel, Judith auf Isabeau von Bayern gedeutet wurde; die Buben aber darstellen sollten, theils zwey Ritter Karl's des Großen, als Pique den Oßior (oder Notier - Holger der Däne), Treff den I^an-eeiot (vom See), theils zwey Hauptleute Karl's VII., näm" lich Carreau den Üeotor (60 6a1arc1) und Coeur den I^a-kire (oder ^tienne cle Vjßnnile"). Es will aber verlauten, daß unser Künstler neuere Helden zu seinen Knappen gewählt habe, namentlich zu Pique den Schill, und zu Coeur den Ioachim Murat. -
Nichts eigenthümlicheres wüßten wir aber mitzutheilen, um diese Bilder näher zu bezeichnen, als was
am 18. März 1810 Brentano, den er gebeten, die Ausführung durch Prof. Gubitz in Berlin zu betreiben, ihm schrieb:
"Ein großes Vergnügen haben mir Ihre Kartenblätter gemacht. Ich hatte bis jetzt nur Pflanzen und Kinder von Ihnen gesehen; wie sehr überraschte es mich, Sie in tostümirten Figuren wo möglich noch interessan" ter und reizender wiederzufinden! Ich finde diese Buben so galant, so verschwarmt, und so keck, diese Könige so phantastisch, veraltet, verregieret und verspielet, und vor allem diese Damen so romantisch, verzieret, verzu- und veranmuthet, kurz sie haben mir ungemeine Freude gemacht und von Herzen möchte ich an dem Hofe Diener seyn, wo so rüstige Buben aufwarten, solche Könige Schwerdt und Harfe rühren, und besonders solche Damen Blume und Schleyer so hinreißend zu tragen wissen; die Damen haben mich vor allem besonders erfreut. Hrn. G., welcher nicht wußte, daß die Zeichnungen von Ihnen, mißfielen die Damen, und er versicherte mir, von dem Kartenfabricanten den Auftrag erhalten zu haben, sie wo möglich etwas zurechtezurücken, weil sie ihm auch nicht gefielen. Zum Glücke hat G., seiner Gewohnheit, im Geiste des Künstlers zu bleiben, getreu, nichts daran verändert; was er bereits geschnitten, ist sehr zierlich und treu ausgefallen."
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