Tieck
Kritiken und Berichte. Die Kunstwerke betreffend. Aus Tieck's Novelle: Eine Sommerreise
Kritiken und Berichte. Die Kunstwerke betreffend. Aus Tieck's Novelle: Eine Sommerreise
11. Aus Tieck's Novelle: Eine Sommerreise, . ImTaschen-buch Urania für 1334.
Dresden den 19. Iuny 1803. F. führte mich sogleich zu ei
nem wackern Schwaben, einem Mahler Hartmann hin, so wie zu einem sehr poetischen eigenthümlichen Landschaftmahler, Fridrich, aus Schwedisch - Pommern gebürtig. Diese wahrhaft wunderbare Natur hat mich heftig ergriffen, wenn mir gleich vieles in seinem Wesen dunkel geblieben ist. Jene religiöse Stimmung und Aufreizung, die seit kurzem unsre Deutsche Welt wieder auf eigenthümliche Weise zu beleben scheint, eine feyerliche Wehmuth, sucht er feinsinnig in landschaftlichen Vorwürfen auszudrücken und anzudeuten. Dieses Bestreben findet viele Freunde und Bewunderer, und, was noch mehr zu begreifen ist, viele Gegner. Historie, und noch mehr viele Kirchenbilder, haben sich oft wie ganz in Symbolik oder Allegorie ausgelöset, und die Landschaft scheint mehr dazu gemacht, ein sinnendes Träumen, ein Wohlbehagen, oder Freude an der nachgeahmten Würklichkeit, an die sich von selbst ein anmuthiges Sehnen und Phantast-ren knüpft, hervorzurufen. Fridrich strebt dagegen mehr, ein bestimmtes Gefühl, eine würkliche Anschauung, und in dieser festgestellte Begriffe und Anschauungen zu erzeugen, die mit jener Wehmuth und Feyerlichkeit aufgehen und eins werden. So versucht er also in Licht und Schatten, belebte und erstorbene Natur, Schnee und Wasser, und eben so in die Staffage Allegorie und Symbolik einzuführen, ja gewissermaaßen die Landschaft, die uns immer als ein so unbestimmter Vorwurf als Traum und Willkühr erschien, über Geschichte und Legende durch die bestimmte Deutlichkeit der Begriffe und der Absichtlichkeit in der Phantasie zu erheben. Dies Streben ist neu, und es ist zu verwundern, wieviel er mehr als einmal mit wenigen Mitteln erreicht hat. So meldet sich bey uns in Poesie und Kunst/ wie in der Philosophie und Geschichte, ein neues Frühlingsleben. - Ganz ähnlich, und vielleicht noch tiefsinniger, strebte ein Freund, der erst seit kurzem von hier in sein Vaterland Pommern Cauch das Schwedische) zurückgekehrt ist, die phantastisch spielende Arabeske zu einem philosophischen, religiösen Kunstausdruck zu erziehen. Dieser lebenskräftige Runge hat in feinen Tageszeiten, die bald in Kupferstichen erscheinen werden, etwas so Originelles und Neues hervorgebracht, daß es leichter ist, über diese vier merkwürdigen Blätter ein Buch zu schreiben, als über sie in Kürze etwas Genügendes zu sagen. Es war eine Freude, diesen gesunden Menschen diese Zeichnungen selbst erklären zu hören, und zu vernehmen, was er alles dabey gebacht. Ich suchte ihn im vorigen Jahre, als ich mich auch hier befand, darauf aufmerksam zu machen, daß er, besonders in den Randzeich-nungen, die die Hauptgestalten umgeben, mehr wie einmal aus dem Symbol und der Allegorie in die willkührliche Bezeichnung, in die Hieroglyphe gefallen sey. Der bittre Saft, der aus der Aloe trieft, die Rittersporn, die im Deutschen durch Zufall so heißen, können nicht im Bilde an sich Leiden , Reue, oder Tapferkeit und Muth andeuten. So ist in diesen Blättern manches, was Runge wohl nur allein versteht, und es ist zu fürchten, daß, bey seiner verbindenden reichen Phantasie, er noch tiefer in das Gebiet der Willkühr gerath, und er die Erscheinung selbst als solche zu sehr vernachlässigen möchte. In derselben Gefahr befindet sich auch wohl Fridrich. Ist es nicht sonderbar, daß gerade die Zeit, die mehr Phantasie entwickelt, als die vorigen Menschenalter, zugleich im Phantastischen und Wunder mebr Bedeutung, Vernunft und äußere und innere Beziehung sinden will, als früher die Menschen von jenen Productionen der Künste verlangten, die doch gewissermaaßen ganz aus der Verständigkeit hervorgegaw gen waren? Man sieht aber wieder, wie Ein Geist immerdar sich im Zeitalter in vielen Gegenden und Gemüthern meldet. Die Novalis auch nicht kennen oder verstehen, sind doch mit ihm verwandt. War es denn auch so zur Zeit des Dante? So weit ich jene Jahre kenne, entdecke ich dort diese Verwandtschaft nicht. Dieser graue Prophet hat in seinem Geheimniß dieses Streben, Sache und Deutung, Würklichkeit und Allegorie immerdar in Eins zu wandeln, auf das mächtigste aufgefaßt. Ihn verstehen und fühlen setzt voraus und, fordert eine große poetische Schöpferkraft; mit dem gewöhnlichen Auffassen ist hier nichts gewonnen. Soll man sich aber selbst so loben? Im Briefe vielleicht. Und doch gemahnt es mich, als sey dies kein Lob. Nur Geweihte sollen Dante's Gedicht lesen. Es ist ja keine Bürger- und Menschenpfiicht.
Sonderbar, daß viele Menschen, die mit Recht sich etwas darauf ein
bilden, daß sie Runge's und Fridrich's Bemühungen nicht abweisen, weil
ihr Poesiesinn den Schöpfungen entgegenkommt, doch die tiefsinnige und
eben so liebliche Symbolik und Allegorie in Correggio's einzigen Werken
nicht fühlen und anerkennen. Wer nichts als den Mahler in ihm sieht,
der mit Lichteffecten spielt, mag nicht gescholten werden, wenn er mehr
als einen Niederländer höher stellt. Runge selbst war immer von diesem
großen Dichter auf das tiefste ergriffen, und es ließ sich mit diesem hochbe
gabten Deutschen Jünglinge über diese Gegenstände sehr anmuthig sprechen
und schwärmen. Freylich merke ich wohl, daß ich, gegen meinen Be
gleiter Ferdinand gehalten/ mich noch sehr prosaisch ausnehme.
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