Philipp Otto Runge
Der Regenbogen-Achat
Der Regenbogen-Achat
Den 18. April 1810
Dieser Achat scheint mir eine lichte durchsichtige Ader in dem Röthlichdurchsichtigen zu seyn, so daß,
gleichsam wie Dünste sich in Luft zersetzen, so sich alles Röthliche in die reine Durchsichtigkeit zersetzt hat.
Durch das Lagern haben sich Schichten oder Streifen formiert, welche in ihrer Construction wenig
verschieden sind; in jedem Streif ist die eine Seite von gesättigter Auflösung wie auf der andern gelagert.
Wenn man sagen könnte, daß dieses die aufgelösete Räthe des Achats wäre, die sich in der vorhandenen
auflösenden durchsichtigen Materie krystallisirt, und in diesem Zustande mit derselben zugleich erstarrt sey,
so wäre das progressive Zunehmen dieser Krystallisation in jedem Streif wie ein Winkel zu betrachten, der
immer von neuem anfinge, so: Der Achat, den ich gesehen [>*] hatte ungefähr folgende Form, und etwa 40
Streifen, die mehr oder weniger gebogen waren. Auf eine merkwürdige Weise theilten sich diese in zwey
Hälften. Die Erscheinung der Farbe ist diese: [Abb.] Wenn man den Achat grade vor das Licht hielt, sah man
keine Farbe, sondern bloß die Schichtenabtheilung des Steins in seiner Structur. Dieses sey der Kreis 1. In
der Stellung 2 war der (1) Streif der rechten Hälfte blaulich violett, und wurden diese Streifen nach und nach
blau, der lezte am Rande aber schon grün. Bey der geringsten Verschiebung in die Stellung 3 offenbarte sich
die Farbe auch in der linken Hälfte, und wenn der Stein die Stellung 3 gegen das Licht erreicht hatte, war die
Stufenfolge der Streifen dieselbe, wie in 2 die rechte Hälfte. Diese rechte Hälfte war nun aber schon so
gestellt, daß der Anfang orange, das Mittel roth, das Ende wieder violett war. Mit diesem Violett erstarb alle
Farbe in der Stellung 4 in der rechten Hälfte, wo dann in der linken die Folge eintrat, welche in 3 in der
rechten stattgefunden.
Verschob man nun den Stein in eine Stellung 5, so erfolgte eine kleine Pause von Farblosigkeit, und dann
fing derselbe Rhythmus von neuem an, und wiederholte sich in dieser Weise so, da der erste zu Ende war,
indem sich der Stein so weit gegen das Licht verschoben hatte, daß der Raum zwischen dem Licht und dem
Stein die Breite des Steins ausmachte. So machte denn, wenn der zweyte Rhvthmus vorbey war, jener Raum
zweymal die Breite des Steines aus u.s.w.
Nahm man die Lage der Streifen horizontal statt perpendikular, so konnten die Farben nicht in der Reinheit
erscheinen, da die röthlicben Strahlungen über dem Licht nicht so vortheilhaft für die farbige Erscheinung
sich zeigen konnten, als die volle negative Finsterniß an der Seite des Lichts. Eben so gab es nach unten
sowohl mit dem Leuchter als mit dem Unschlitt ein Hinderniß. Denn bey dieser Beobachtung war bloß ein
Talglicht angesteckt. Wäre ein stärkeres Licht, etwa eine Argandsche Lampe vorhanden gewesen, so würde
die Wiederholung der Farben durch alle Stufen des Regenbogens, die hier bey dem ersten Rhythmus
schönfarbig, bey dem zweyten tief brillant war, bey dem dritten sich schon so verlor, daß sie nur noch eben
erkannt werden konnte, und beym vierten nur noch wie ein Schatten erschien, so würde, sage ich, die
brillante Erscheinung sich vielleicht in dem dritten und vierten Rhythmus noch weiter verbreitet haben, es
wäre dann aber auch wohl der erste schon in dem starken Licht verschlungen gewesen.
Um eine genaue Beobachtung dieser Art anzustellen, wobey man die Winkel scharf bestimmen wollte, in
welchen das Licht auf den Stein fiele, wann die brillantesten Farbenerscheinungen einträten auch um die
Abstufungen zu zählen, einzeln zu beobachten und festzuhalten, würde ein Sonnen-Mikroskop oder eine
ähnliche Vorrichtung sehr geschicht seyn. Denn so gut wie mein Auge die Farben auffaßt, müssen sie sich
auch auf einer entgegenstehenden weißen Fläche darstellen. Der Stein müßte allenfalls so angebracht
werden, daß nach innen bey a ein Gewinde wäre, wodurch man die Winkel richten könnte und die Oeffnung
bc doch immer im Verschluß bliebe.
Es versteht sich, daß dieses wohl noch eine sehr ungeschickte Maschinerie seyn mag; indessen möchte
sie so gut eingerichtet werden, wie sie könnte, wird doch immer, wer die bestimmten Winkel,
Abwechslungen, Streifen, brillante, glänzende und dunkle Abweichungen, alle auf's Haar bestimmen wollte,
nie vergessen dürfen, das Sonnenlicht, die Vergrößerung in dem Mikroskop, und den Stein genau zu
bestimmen. Denn würde nur eines dieser drey Dinge, oder vielmehr nur dieser zwey (das Active und das
Passive) verändert, so käme ein andres Resultat heraus; wäre z.B. etwa das Licht schwächer, oder derselbe
Stein nur um ein Haar dicker oder dünner geschliffen.
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