Philipp Otto Runge
Farbenlehre C
Farbenlehre C
Den 2. Dezember 1809
1. Das Auge unterscheidet sehr leicht
Schwarz von Dunkel; ja eben so leicht als Weiß von Hell. Man wird nicht behaupten können, wenn man es
auch wollte (die innere Natur empört sich dagegen), daß eine prächtige dunkle Sammetfarbe von derselben
Tinte wie Scharlach bloß dadurch auszudrücken wäre, daß man zu hohem Roth Schwarz mischte.
2. Die
Dunkelheit einer jeden Farbe übertrifft an Kraft und Tiefe das Schwarze unendlich, daher auch die absolute
Dunkelheit dasselbe übertrifft. Wir erkennen in einer durchsichtigen Farbe die Quantität, und das Licht würkt
noch in die farblose Dunkelheit hinein; bey dem Schwarzen aber wird es an der Oberfläche zerstört. Man
stelle sich eine geschliffene Steinkohle und ein farbiges Glas neben einander auf weißem Papier liegend vor;
erstere wird bei Verdickung keine Aenderung erleiden, lezteres aber bis in's Unendliche. Wenn wir rothe,
blaue oder gelbe Farbe in der Durchsichtigkeit in so großer Quantität haben, daß die Farbe wegen zu großer
Dunkelheit einzeln dem Auge nicht mehr erkennbar ist, so wird dieses sie doch noch durch den Gegensatz
einer andern gleich dunkeln erkennen. Können wir sie aber nicht auch noch so vergrößern an Dunkelheit,
daß selbst dieses nicht mehr möglich ist? Ist es, als die Quantität noch in großer sichtbaren Qualität vor dem
Auge stand, geschehen, daß sich die drey Farben in eine dreyfache größere Tiefe der Quantität vereinigten,
so geschieht es denn auch hier mit der einzelnen Farbe.
3. So wie die Tiefe der Durchsichtigkeit oder gar
durchsichtigen Farbe das Licht wollüstig mit sich verbindet, ja zulezt mit demselben eins wird, so tritt Schwarz
mit dem Lichte in Kampf (wie durch einen Schlag der harte Körper erklingt, der weiche aber aus seiner Form
gebracht wird).
4. Durchsichtig und undurchsichtig haben ein Verhältniß gegen einander wie Ideales und
Reales * -In einer durchsichtigen Farbe-Quantität erscheint durch das Licht die reine Idea der vorhandenen
Farbe-Qualität. In einer farblose erscheint an der Gränze die Idea aller Farben (z.B. durch das Prisma).
Schwarz erhitzt sich durch den Kampf mit dem Licht.
*) Der Verf. hat durch einen solchen Gegensatz auch
schon in dem Kreise der undurchsichtigen Farben für sich durch folgendes Schema auszudrücken versucht :
....s.Abb. HS I,164 unten
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