Philipp Otto Runge
Kurze Charakteristiken einiger großen Mahler
Kurze Charakteristiken einiger großen Mahler
Albrecht Dürer (geb. in Nürnberg 1471, 1528). Seine Lehrer waren
Wohlgemuth und Martin Schön. Er war ein frommer, feiner und gelehrter Mann, der zuerst den Deutschen
Mahlern zur Wissenschaft in ihren Bestrebungen verhalf, und über Anatomie, Perspectiv und andre
Hülfserkenntnisse sehr gründliche Schriften fertigte. Er war unermüdet im Fleiße, arbeitete vortrefflich in
Schnitzwerk aus Elfenbein, Holz und Metallen, zugleich war er der beste Kupferstecher seiner Zeit.
Hans Holbein (geb. in Basel 1495, mahlte viele Jahre in England, 1554). Er war ein rechtschaffener und
sehr gebildeter feiner Mann, wurde sehr berühmt, und hat seine besten Bilder außerordentlich schön und
fleißig gearbeitet.
Zwey Bilder (Höhe 6' 6 , Breite 5') von einem Nebenaltare der Hamburgischen Domkirche +) . Es läßt sich
nicht mit Gewißheit behaupten, daß sie von einem Deutschen Mahler herrühren, sie sind aber sehr
merkwürdig ihres Alters wegen und durch die erhöhete Würkung, welche in den Farben durch den Goldgrund
hervorgebracht ist, auf den sie gemahlt sind (wobey die Behandlung auf eine gewisse Distanz berechnet ist).
Die Gluth, welche hieraus in den Bildern herrscht, erinnert an das Feuerspiel des Himmels beym
Sonnenuntergange; was wiederum tief in den Geist dieser Gestalten greift. Denn es stellt das eine die
Kreuztragung Christi, das andre aber die Kreuzigung, und Maria mit Johannes unter dem Kreuze in Schmerz
versunken, vor, so daß der Untergang der Sonne mit dem Tode des Erlösers in einen rührenden Accord
stimmt.
Michelangelo Buonaroti (geb. zu Chigi in Toscana 1474, 1554). Er war ein ernster, meistens
melancholischer Mann; sein Geist führte ihn zur innerlichen Erkenntnis der Naturkräfte, und sein Gemüth war
immerwährend mit dem geheimen Zusammenhange aller Wesen innerlich und äußerlich beschäftigt. Seine
Arbeiten sind wie Gesichte der Propheten: es ist nie gelungen, ihn irgend einer Ordnung oder Schule
beystellen zu wollen, er durchbricht so zu sagen alle Schranken, welche man in der Kunst wie im Leben
conventionell gezogen, und wie ein Wunder stehen seine Schöpfungen da. Er lösete in der Baukunst die
schwierigsten Aufgaben, war der größte Bildhauer seiner Zeit, und die Hülfswissenschaften zu lezterer Kunst
waren ihm wie ein Spiel. Die Capelle des Sixtus steht wie das Ziel aller plastischen Bestrebungen da, und der
Ausdruck in allen seinen Gestalten ist bis zum Rande des höchsten Affects getrieben. Die Kreuzigung.
Maria und Johannes unter dem Kreuze, über ihnen ihre Schutzengel, welche ihre Gemüthsfassung theilen.
Im Vordergrunde knieet ein Cardinal, der vermuthlich dieses Gemählde zu seiner Hausandacht bestellt hat.
Rafaello Sanzio (geb. zu Urbino 1483, 1520). Sein Lehrmeister war Pietro Perugino. Sein tiefer und heitrer
Sinn und die Unschuld des Gemüths zogen ihn groß. Die Gewandtheit und Eleganz seiner Hand konnte den
kindlichen Geist nicht verlenken, der ihn frey von aller Manier und Methode erhielt. Seine Bilder sind wie
Gesichte von Engeln, die ein geist und lebenvolles Kind uns erzählen würde; und wie er in seinem Leben nur
sein innerstes Gemüth auszusprechen suchte, so mußte er durch die Unbefangenheit und den Reiz, womit
alle Gestalten in seinen Werken sich bewegen, nur desto unwiderstehlicher alles hinreißen, sodaß er von
seinen Zeitgenossen fast angebetet wurde.
Tiziano Vecelli (geb. zu Cadore 1477, 1576). Das Studium, die Farben so zu ordnen, wie die Natur selbst
in ihren Effecten verfährt, und damit Leben und Gluth in Farben und Carnation herauszubringen, ist ihm
vorzüglich eigenthümlich; und hier sind Motive, die uns fast allemal seine Bilder in Hinsicht ihrer innern
Zusammenstellung erklären.
Annibal Caracci (geb. in Bologna 1560, 1609). Er war ein kräftiger und gelehrter Mann. Da zu seiner Zeit
die Kunst sehr gesunken, wollte er durch das Studium des Rafael, Coreggio, Michelangelo, Lionardo da
Vinci, und Anderer, deren verschiedene Vorzüge er vereinigen zu können glaubte, verbunden mit dem
Studium der Antike, der Kunst wieder einen neuen Glanz geben.
Guido Reni (geb. in Bologna 1575, 1642). Er war ein Schüler von Annibal Caracci, und übertraf ihn in
Hinsicht der reinsten Darstellung seiner Gedanken, deren Reiz, auch bey der Kälte, die seine Bilder oft
haben, immer anzieht. Ein Bild aus der Italiänischen Schule: die Grablegung Christi. Johannes knieet zu dem
Haupte bey dem Leichnam, Maria steht groß und schön zu dessen Füßen; eine männliche Gestalt geht in
den Felsen hinein. Das Bild würkt durch die Beleuchtung der Figuren sowohl, als durch die sinkende Sonne,
und die Gestalt, die in das Geheime der Höhle hineinschreitet, sonderbar, und unwillkührlich reiht der
Beschauer die Zeit und Begebenheit an die Naturerscheinung. (Nach Waagen von N. Poussin.)
Salvatore Rosa (geb. zu Revella 1615), gehört zu den Neapolitanischen Mahlern. Er liebte die Wildnisse,
und war ein lustiger kühner Mann. Seine Gemählde erschrecken oft durch die zusammengeworfenen
Felsenmassen; wie munter aber Gestalten oft darin erscheinen, beruhigen sie auch wieder.
Nicolas Poussin (geb. 1594 in der Normandie, 1645). Weil er sich in Italien bildete, und meistens in Rom
lebte, wird er mehr zu der Römischen Schule, als zu den Franzosen gerechnet. Christus fährt mit seinen
Jüngern über einen stillen See. Der Abend spielt in hellen Lichtern an den Bäumen, Gebäuden, Felsen, und
den Wanderern. Die ruhige Fläche, worin der Kahn sich rein spiegelt, die heilige Gesellschaft, die sich in dem
Kahn befindet, die Harmonie in allen Figuren am jenseitigen Ufer, die sich willig in Beschauung dieser Fahrt
vertiefen: dieses alles spricht uns beym ersten Anblick dieses Bildes an.
Claude Gelée, genannt Lorrain (geb. auf dem Schlosse Chamagne in Lothringen 1600, 1689). Er war ein
feiner und natürlicher Mann, dessen stilles zartes Gefühl von dem unsichtbaren Reize der Harmonie in der
Natur durchdrungen war, und der nie ruhete, bis er durch unglaublichen Fleiß die sanfte schimmernde
Zauberey der Luftwürkung über seine Werke ausgebreitet hatte. Man sieht in dem Bilde von ihm die reine
Würkung der ganzen Masse der Gegenstände, die wunderbare Schwebung, die wie ein leichter Geist über
den kräftigsten Farben spielt, und die in der blauen Luft sich reiner und glänzender zeigt. Peter Paul
Rubens (geb. 1577 in Cöln, 1640). Die rasche Behandlung, welche diesem Manne eigen war, und seine
bestimmte Einsicht, was die Contraste im Colorit betrifft, machten ihn zum ersten Mahler der
Niederländischen Schule. Sein feuriges Temperament ließ ihn nie dahin kommen, alle Theile eines Werkes
rein, schön und harmonisch zusammenzustellen; daher rasche Bewegungen und wilde Gebehrden sein
eigentliches Fach waren, so daß man bey manchein Bilde von ihm glauben sollte, mitten unter bewegten
Gestalten zu stehen. Anton van Dyk (geb. 1599 in Antwerpen, 1641). Er war ein Schüler von Rubens, und
wurde bald als der größte Portraitmahler bekannt; reisete darauf nach Italien, wo er die feurige und glühende
Behandlung der Niederländischen Schule mit dem ernsteren Styl der Italiäner und dem lebendigen
Farbenreiz Corregio's zu verbinden lernte.
Jacob Ruysdael (geb. in Harlem 1640, 1681). Dieser Mann war ruhig und still, und verlor sich oft in das tiefe
Geheimniß, das in dem wunderbaren Spiel der Farben verborgen liegt. Er ist Claude Lorrain
entgegenzustellen, welcher eben so in den harmonischen Effect der Natur des südlicheren Landes sich
vertiefte. Ruysdael stellte meistens große und kühle Waldungen und Berge dar.
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