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Philipp Otto Runge

Verse 4 (vermuthlich von 1802 und 1803)


1802

Verse 4 (vermuthlich von 1802 und 1803)



4. Zur Begleitung der Tageszeiten. Fragment.

Ev.Joh. Cap.1

Erst lag der Schnee noch weiß auf lichten Höhen,
Das Wasser und der Tau noch starr in Eis.
Nun fließt der Bach; in Fluß und klaren Seen
Erflimmert's hell bei warmem sanftem Wehen,
Auch sind die fernen Berge nicht mehr weiß.
Es ist des Winters Zeit, die Nacht, vergangen,
Der Erde finstrer Schoß hat nun den Tag empfangen.

In blauer Luft will schon der Vogel singen,
Und grün bedeckt sich rings das weite Feld.
Aus Zweigen wollen Blatt und Blüte dringen:
Des Menschen Herz, es möcht im Busen springen,
Er fühlet die Geburt der neuen Welt.
Sie kommt, die Zeit, da Blum und Blüten sprießen,
Die Farben überall, ihm unverständlich, grüßen.

Und blühen erst die Bäum an allen Zweigen,
Manch Blümlein freundlich aus der Erde sieht,
Die Glöcklein duftend ihre Köpfchen beugen,
Sich Blumen bunt in Wald und Wiese zeigen,
Bis uns die Rose durch die Seele glüht:
Gestillt ist da des Herzens stumm Verlangen,
Wenn Farben duftend als auf ein: Es werde! prangen.

Die rote Rose kommt hervorgeflogen.
Sie kündet nur der Blumen Königin
Und schmückt als Botin ihr den Ehrenbogen;
Die Herrlichste kommt bald ihr nachgezogen
Mit stillem, sanftem, unschuldsvollem Sinn .
Der Lilie Stengel strebt hoch in die Lüfte,
Aus reinem weißem Kelch ergießend süße Düfte.

Und erst entquillt der Erde nun das Leben.
Die Bäume schütteln ihr Geschmeid herab,
Des Lichtes Rang der Lilie nur zu geben,
Sie soll in einzig süßem Glanze schweben,
Die Blüten sinken willig in ihr Grab;
Und Blumen sprechen duftend wie mit Zungen:
Das Licht, das Liebt ist in die Blumenwelt gedrungen!

Und Segen thauet auf die Erde nieder.
Die Lilie senket schon ihr schönes Haupt.
Helljauchzend preisen sie der Vöglein Lieder,
Und auch die Rose blüht noch röter wieder
Und ist die Erde jetzt des Lichts beraubt?
Sie hat ein schönes Feuer sich gezündet:
Die Farben haben duftend rings ein Lob verkündet!

Die rote Blume, schön vorangegangen,
Sie spiegelte sich in dem klaren Tau,
Und wie die Vöglein in den Zweigen sangen,
Der Lilie gedrängte Knospen sprangen,
Sank perlend er hinab zur grünen Au.
Da haben wir der Lilie Schein gesehen;
Doch was die Hohe sprach, wer könnt es ganz verstehen?

Die Farben sind's, die erst das Wort gesprochen,
Was wohl der Lilie süßes Wesen war.
Und hat ein Dorn der Lilie Glanz erstochen,
So hat die Rose doch von ihr gesprochen,
Nun lebt das Licht in Farben offenbar.
O hätten näher wir das Wort gehöret,
Das durch den Hochmut doch nicht ganz uns ward zerstöret!

Der böse Dorn war anfangs anzuschauen
Ohn alle Farbe, licht und weiß wie Schnee.
Da wollt er stolz auf eigne Kräfte bauen,
Und fiel und fiel in nächtlich tiefes Grauen,
Verlor die weißen Blüten Weh dir, weh!
Und wann die Blumen all zurückgekommen,
Bleibt er der Frucht, der herben schwarzen, unbenommen.

Wenn jetzt die Sonne heiß am Himmel stehet;
Es dampft die Flur im reichen Blumenduft;
Vom warmen Wind, der durch die Lüfte wehet,
Ein wogend Wallen über Felder gehet,
Zum Widerklange blauer Himmelsluft:
Es wehen Glöckchen blau von allen Hügeln;
Der Himmel will sich in des Kornes Blume spiegeln. u.s.w.


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