ask23 > Philipp Otto Runge: Verse 3 (vermuthlich von 1802 und 1803)
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Philipp Otto Runge

Verse 3 (vermuthlich von 1802 und 1803)


1802

Verse 3 (vermuthlich von 1802 und 1803)



3.Tief in düstre Trauer hingesunken
Saß ich brütend über mir allein,
Zehrend an des Lebens letztem Funken;
Niemand ahnte meines Herzens Pein.
Was sich still und langsam nur noch in mir regte,
Ohne Hoffnung sterbend sich nur noch bewegte:
Schwarz und schwärzer sich In den Busen schlich
Der Vernichtung Grausen, Hölle! die Gewalt,
Die du grinsend zeigst an jeder Erdgestalt.
Da bestand ich in der todesnahen Stunde,
Und des Himmels Licht fiel in die tiefe Wunde.

So allein hatt alles mich gelassen,
Nur ihr Bild lebendig in mir blieb.
Kaltes Grausen wollte mich erfassen;
Hatt mich niemand, hat ich sie doch lieb.
Bis die tiefe Sehnsucht fiel in dumpfes Schwanken,
Endlich mir die wunde Seele mußt erkranken.
War ihr Bild auch hin, Kalt und tot mein Sinn,
Bodenlos der Abgrund, keiner Lebenslust
Schwächster Funken übrig in der öden Brust.
Wohin auch mein Denken, Sehnen, Beten zielte,
Nirgends nur noch eine Seele für mich fühlte.

O du Lust des Lebens, glühnde Flamme,
Reiner Kern, der blühnde Zweige trieb!
Hoffnung nahm schon Frucht von deinem Stamme,
Da dein Inhalt mir verhüllt noch blieb.
Du versinkst in Asche, deine Zweige brechen.
Wer, wenn alles hinstirbt, kann die Schmerzen sprechen?
Da in aller Welt
Mir nichts mehr gefällt,
Wozu bin ich denn gemacht? - Daß ich vergeh
Und im Leben schaudernd nur den Abgrund seh?
Ist mir nirgends Trost und nirgends Ruh gegeben,
Tiefer Seelengram, so kürze nur mein Leben!

Hat denn Gott mich ganz und gar verlassen?
War zu kühn des stolzen Geistes Flug?
Kann ich nicht den hohen Glauben fassen,
Daß er mir zum Heil die Wunde schlug?
Nimmst du mir dies Bild, dies Beste mir vom Leben,
Weil ich all, was mein war, stets nicht dir gegeben?
O so nimm die Zeit, Nimm die Ewigkeit!
Nein, ich konnte nimmer tragen dieses Glück:
Nimm das Leben, nimm mein Dasein denn zurück.
Deine Güte ließ mich zu dem Tage kommen:
Nur was du gegeben, hast du, Herr! genommen.

Ewges Licht, du unerforschter Wille,
Einzger Trost, Lieb ohne Maß und Grund!
Fällt mir von den Augen nun die Hülle?
Werd ich mich ergebend noch gesund?
Was ich suche, bitte, werd ich immer finden.
Deine Liebe, Herr! will ich der Welt verkünden.
Ja, des Himmels Licht In die Seele bricht:
Wie mir jüngst so traurig jeder Tag verschwand
Und ich dein Geschöpf, die Blumen, nicht verstand,
So dein Licht in Farben prangend sich nun hüllet,
Und die Welt mit vollem reichem Leben füllet.

Wollt im Dunkeln ich das Böse sehen,
Weil das Schwarze mir das Böse war?
Die Geliebte seh ich vor mir stehen,
Seele spricht in Augen offenbar.
Träumend, da ich wachend Himmelslicht gefunden,
Werd ich mit dem irdschen Licht nun auch verbunden,
Wie mein Aug dich kennt,
Meine Lippe brennt.
Wem sich noch entschlossen nie das höchste Licht,
Der genoß das irdsche Leben auch noch nicht.
O vom dunkeln Brunnen deiner lieben Augen
Will ich Mut und Lust zu jeder Arbeit sagen.

Lustger Schein, der nun die Welt belebet!
Wo ich walle, Blumen um mich blühn.
Wie dein Auge leuchtend sich erhebet,
Rosenrot die Wangen dir erglühn,
Daß zu vollen Pulsen mir die Adern schwellen,
Von der Liebe Blicken aufgeregt zu Wellen!
Deine Huldgestalt
Faßt mich mit Gewalt,
Und die Kraft, die mir dein Händedruck verleiht,
Knüpfet nun die Zeit mir an die Ewigkeit.
Weil ich ohne Hoffnung treu der Hoffnung blieben,
Will mich ohne Maß und Ziel nun Liebe lieben.


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