Philipp Otto Runge
Ein Prolog (Jugendliche und scherzhafte Versuche 3.)
Ein Prolog (Jugendliche und scherzhafte Versuche 3.)
gesprochen auf einem Liebhabertheater in Dresden (180l oder 1802). (Prologus in Hemdsirmeln wird von den Schauspielern zwischen den Coulissen hereingewdrfcn; er füllt mitten auf das Theater hin und rafft sich mühsam auf.)
Au weh! au weh! - Meine Damen und Herren!
Verehrungswürdiges Publicum! - Vortreffliche Freunde!
- Ach ich bitte tausendmal um Verzeihung, daß ich so vor Ihnen erscheinen muß; Sie sind gewiß aus den Wolken gefallen, und das ist mein größter Schmerz, denn ich, der ich doch nur durch die Coulissen gefallen bin, habe doch schon einen tüchtigen Puff weggekriegt. - Sie meynen vielleicht, der Zufall habe mich nur hier hereingeworftn? Ach nein! der existirt gar nicht einmal recht; - nein, das Schicksal und die geschätzten Herren Acteure zwingen mich zu diesem Prolog. Es ist offenbare Gewalt - es ist mir fast ganz unmöglich - ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, und doch, doch muß ich ihn halten. - Also nur Courage! -
Geehrteste Zuschauer! Sie werden hier ein Stück sehen, das - das - das ich nicht kenne, - aber das soll ja nun ein" mal nichts zur Sache thun. - Verehrteste, Sie werden hier (so viel weiß ich doch) ein Stück von Leuten aufführen sehen, die Sie sehr gut kennen, und darum bitte ich Sie denn recht sehr-
rechnen Sie es Ihren Freunden nicht zu, was sie hier sagen werden; weder schlechtes noch gutes. Schlechtes? das werden Sie schon von selbst nicht thun; aber das Gute? damit hat es seine ganz eigne Bewandtniß. - Ich bitte bloß, trennen Sie in sich Ihre Freunde ganz von den schlechten, mittelmäßigen, erbärmlichen, guten, und schönen Charakteren, welche sie darstellen werden; denn selbst was das Gute und Schöne seyn möchte, was ein Anderer meinem Freund in den Mund legte, dagegen hätte ich ihn doch zu lieb, als daß ich ihn selbst damit verwechseln sollte. - Lassen Sie sich aber auch nicht lang werden die Zeit, daß Sie, so lange zwar, die Freunde in ihren eignen Personen entbehren sollen. -
Ueberzieht sich doch auch zu Zeiten der heitre blaue Himmel - dieses höchste Bild reiner, schöner, treuer, bestandiger und unergründlicher Liebe - mit einem trüben Duft: In wilden Massen ballt sich der Nebel zusammen, - Schnee, Hagel und Regen wüthen über die Thäler, der Sturm brauset durch Wälder, über Felsen und Felder dahin, das Meer und die Flüsse rasen, mit roher übelschwellender Wuth raffen sie Städte und Dörfer hin -.
Wieder schweigt der Sturm; - die Sonne sinkt, und mit rosenrothen Fingern mahlt Thetis die höchste süßeste Ahnung der Ewigkeit in die Wolken. Staunendes Entzücken zieht unsre Blicke nach Westen - wir ahnen die Zukunft einer ewigen Freundschaft, und verlangen mit Sehnsucht nach der schönen Gegend hinter diesen glänzenden Bergen -.
Mit starken Schlitten tritt die ernste ruhige Nacht ein über das unendliche Land. Alle Wolken verschwinden; - aus unermeßlicher Ferne blinken die Sterne uns zu; - und aus unsrer innersten Seele müssen wir sagen: "Du tiefes unergründliches Meer des Himmels bist mehr als alle die glanzenden Berge, - du liegst hinter dem Sturm und hinter dem Sonnenuntergang; du bist das Land der ewigen Liebe, wohin wir uns sehnten -!"
So auch unsere Freunde; - lassen Sie uns nicht dem Schönen und Guten sie unterschieben, das der Dichter sie sagen läßt. Wir wollen ihnen nach der Komödie in's Auge sehen, und eine tiefere, tröstlichere, und dauerndere Freundschaft darin lesen, die uns, ich will es hoffen, der Dichter wünschen laßt, - und die wir schon besitzen, wenn wir wollen.
Wie aber der Prolog zu dem Stücke paßt? - Nun, da mag es zusehen. Paßt er nicht, so ist er doch gehalten worden, -
und das war ja die Hauptsache! - Sollte er aber für Sie wohl zweckmäßig seyn? - Das weiß ich auch nicht. - Ich glaube, es wäre sehr zweckmäßig, jetzt zu gehen; - und das will ich thun. (Verneigt sich und geht ab.)
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