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Philipp Otto Runge

An einen Freund


Hamburg im Frühjahr 1809 **).

An einen Freund


Verehrungswürdiger Herr und Freund
(An Prof.Dr. Reimarus oder Dr. F. I. Meyer) #1

Ich überschicke Ihnen hiebey die Farbenkugel, mit der Erklärung oder Construction derselben, welches ich als einen Beweis meiner Achtung der Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe in meinem Namen zuzustellen bitte. Da ich mich der Ehre, welche
mir dieselbe erwiesen, indem sie mich zu ihrem Mitgliede ernann" te, gerne würdig bezeigen möchte, habe ich geglaubt, daß die Entdeckung des Verhältnisses der Elementarfarben zu einander, indem sie das Urtheil für den Handwerker wie für den Künstler bestimmter bildet, auch zu dem gemeinnützigen Zweck einer verehrten Gesellschaft mitwürken könnte. Weil ich mich aber nicht getraue, dieses fest zu behaupten, so überlasse ich es Ihrem bessern Urtheil, ob diese Construction von der verehrten Gesellschaft zu benutzen seyn werde oder nicht. - Ich habe mich bemühet, die- Construction des Verhältnisses soviel wie ich konnte auf einige geometrische Satze zu concentriren. Wenn ich auch nicht zweifle, daß die Beweise sich noch weit schärfer ausdrücken ließen, so hoffe ich doch, daß jeder Verständige sie einleuchtend genug finden und die etwa übrig gebliebene Unbestimmtheit meiner schwachen geometrischen Wissenschaft zu gute halten wird, indem die Sache an sich dennoch unläugbar gewiß sich so verhält. Bey der Construction des ganzen Verhältnisses bin ich allen Reflexionen, die sich mir aufdringen mochten, vorbeygegangen, da jeder solche auf seine Weise anstellen kann, und habe bloß einige derselben in dem Anhange beygefügt, welche nach meiner Ansicht unmittelbar zur Verbindung der rein abstracten Construction mit der Anwendung geschickt wären. - In dem ganzen Aufsatz ist bloß von reinen Verhältnissen die Rede und konnte nur von solchen seyn; auf der Kugel aber waren genaue Mischungen und Verhältnisse wegen des Materials unmöglich zu erreichen, was man nicht in Anschlag bringen wird, da eine solche Genauigkeit doch nie völlig zu erlangen steht und nur eine unnöthige Mühe für diejenigen darauf würde verwendet werden müssen, die doch nicht in das Wesentliche der Erscheinung einzudringen vermögen. - Ich behalte es mir vor, wenn einer verehrten Gesellschaft dieser kleine Beweis meines Strebens, zu ihrem Würken beyzutragen, nicht zu unbedeutend erscheint, derselben die ferneren Resultate meiner Studien mitzutheilen. Sollten sich aber Zweifel gegen meine Sätze, oder Unrichtigkeiten in den Beweisen finden, so bin ich ebensowohl erbötig zu dem Versuche, die ersteren zu heben, wie es mich freuen wird, mich in Hinsicht lez-terer eines Bessern belehrt zu sehen. -

1 Dieses Schreiben wurde entweder an den verehrten Arzt und Professor I. A. H. Reimarus Dr. als Mitglied, oder an den Domherrn Dr. F. I. L. Meyer als Secretair, der "Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe" gerichtet, welcher leztere dem Verf. seine Aufnahme in die gedachte Gesellschaft bereits am 19. April 1808 mit folgenden Zeilen angezeigt hatte:
"Einem denkenden Künstler wünscht eine achtungswerthe Gesellschaft von Vaterlandsfteunben den Beweis ihrer Schätzung seine" Verdienstes durch Zusendung des beyliegenden Documentes der Ehrenmitgliedschaft zu geben und ihn dadurch einzuladen, sich ihr näher, zur Bewürkung ihres Zweckes, der Vermehrung der Summe des Schönen und Guten in ihrer Vaterstadt, anzuschließen."

Das jetzige Schreiben des Verf. begleiteten ein Globus und zwey hölzerne Scheiben, mit seinem Farbenschema in Oel übermahlt (wo-- von sich auch ein zweytes Exemplar bey der Familie des Verstorbe-' nen befindet), so wie einer Abhandlung in Manuscript, welche im , : Wesentlichen dasselbe wie die 1810 erschienene "Falbenkugel" ent-.! hielt (und die der Verf. auch bereits 1809 an Steffens und an Goethe einsandte), überdem aber auch noch die folgende Einleitung:

Allgemeines und nothwendiges Schema der Farbenmischungen.
Von einem geschickten Künstler oder Handwerker ist wohl mit siecht zu verlangen, daß er nicht allein d:e Beschaffenheit seines Materials, als einer Waare, oder eines Werkzeugs, kenne, es darnach "' auszuwählen und zu behandeln wisse, sondern daß er auch eine Vor- ., stellung von dem Verhältniß desselben als eines Naturprodukts habe, und so die lebendige sowohl als verständige Beziehung seines Gewer- bes auf andere menschliche Geschäfte ahnen mög". Ohne Kenntniß seines Materials, und mit einem verworrenen oder dürftigen Begriff von dem inneren Verhältnisse desselben, wird es ihm unmöglich seyn, sich in schwierigen Fällen zu helfen; und wenn wir von einer guten Arbeit noch außer der Brauchbarkeit ver- ^ langen, daß solche mit Leichtigkeit und Geschmack verfertigt sey, so liegt hierin schon mit die Forderung einer hinlänglichen Kenntniß : der zu verarbeitenden Masse, indem die Gewißheit in jedem Hand" .. griff nur aus der Klarheit entstehen kann, womit ich die Ausführ barkeit der Sache, welche ich bewürken will, einsehe. Nirgends aber kann diese Forderung gerechter seyn, als in den Künsten, die mit Gegeneinanderstellung verschiedener Farben umgehen (es mag nun das Geschäft die Mahlerkunst selbst, oder die bloß" Decoration von Wanden mit bunten Figuren, "der die Vereinigung von Farben auf Stoffen und Gewändern seyn): daß die natürliche Eigenschaft und die Würkung der Urfarben oder Grundstoffe auf einander bekannt sey und daher richtig angewandt werde.



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