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Philipp Otto Runge

An Gustaf


Hambg 1,207 # im 06.Mon. 1808

An Gustaf


-Ich bin gar sehr überzeugt, daß du auf die rechten
Gründe gekommen bist, deinen eignen Weg zu gehen und du brauchst dich deshalb bey mir nicht zu
entschuldigen. Ich wünsche nur von Herzen, daß es dir gelinge, dich zu einem rechten Mann zu machen, der
seinen Gang mit einer würdigen Gesinnung geht, so wirst du jeden eben so ruhig den seinigen gehen lassen,
wie jeder dir zutrauen wird, daß du wissest, was du thust. Du wirst mir aber zutrauen, lieber Bruder, daß ich
weiß, wie dem zu Muthe ist, an den große Anforderungen zu machen sind, indem ihm Vortheile eingeräumt
werden, die Wenige haben. Mir so wie dir ist das eigentliche Feld und Fach jetzt nicht so offen, wie in andern
Zeiten, und doch sind alle Vortheile da. Das Gemeine, welches uns entweder nicht genügt, oder schl echt ist,
mögen wir nicht thun; so ist es denn nothwendig, daß wir uns den Gegenstand wie die Beschäftigung selbst
(auf gewisse Weise, versteht ich) bilden, und das kannst du wie ich.Ich kann nicht läugnen, Lieber, daß es
mir unangenehm ist, dich in Wolgast unbeschäftigt zu wissen. Unser lieber Vater ist noch zu rasch und thätig,
alsdaß es ihm nicht oft selbst an Beschäftigung fehlen sollte, und daß er nun bloß dich beschäftigen sollte,
kann, dir weder recht, noch deiner würdig seyn.

Ich weiß jetzt, da ich an einem bestimmten Werk arbeite, was ich vorhabe und bin weder über die Würdigkeit
meiner Beschäftigung, noch über die Anwendung meiner Zeit und Kräfte in Zweifel. Wenn nun aber das
Unglück wollte, daß ich in eine Lage käme, die mich völlig und für mein ganzes Leben verhinderte, zu
mahlen, so weiß ich doch, daß ich mein Geschäft nun so gut kenne, und meine Ideen einen so sichern
innnern Grund haben, daß ich auf jede andre Weise, ohne zu mahlen, dieselben auch befördern und
berichtigen könnte; und dieses kommt bloß daher, daß ich mich nicht gescheut habe, zu jeder Zeit etwas zu


versuchen und ihm nachzugehen, das mir einen sicheren Grund zuwegebringen könnte. Ein Versuch, wenn
man auch mitten darin unterbrochen wird, hat soviel zufällige Vortheile, daß man hernach jede Zeit mit etwas
auszufüllen weiß, das alles zu einem Ziele würken muß.Es ist gewiß, daß jeder rechtliche Mensch eine
Sache und Wissenschaft gründlich sollte betreiben lernen, und ich sehe nicht ein, wie du nicht eben so gut
ein Landmann auch ohne Land seyn könntest, wie ich ein Mahler in einer Zeit, wo es abgeschmackte ist,
Bilder zu machen. Solltest du in der genauen und speciellen Bekanntschaft, die du mit jedem Gewächs
machen kannst, das auf einem freyen Boden oder im Garten sprießt, nicht Versuche machen, solltest du dich
nicht wissenschaftlich so tief in den Grund hineinbegeben können, daß du grade dein Feld allenthalben um
dich fändest?

Es ist nichts zu hoch und zu groß, was auch schon andere Menschen vor und mit uns gedacht und gethan
haben, daß wir es uns nicht auch zu eigen machen könnten und sollten, und wer ein fröhliches und gewisses
Vertrauen zu Gott hat, solltesich vor keinem Tiefsinn und vor keiner Phantasie fürchten, denn wir sind, wo wir
auch sind, nirgends weit von Gott. * hat mancherley Kenntnisse und auch Bücher; suche nicht seinen Rath,
sondern suche die Eigenschaften deiner Freunde nur für dich zu benutzen. Es sollte mich innig freuen, wenn
du nahe bey dir etwas finden könntest, woraus du Hoffnung und Muth schöpftest, mit der Zeit etwas zu
ziehen, zu bauen, und etwas Neues wachsen zu sehen. —


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