Philipp Otto Runge
An seinen Vater
An seinen Vater
Ich habe schon wieder Nachricht von Ihnen erwartet, aber
noch keine erhalten. Sie werden einer von mir mit Unruhe entgegensehen, und, ob ich Ihnen zwar nichts
Ordentliches mittheilen kann, wird es Ihnen doch befriedigend seyn, wenigstens das zu wissen, was und wie
ich es treibe. Ich hin recht fleißig, und spüre, daß man mit rechtem Ernst beynahe alles machen kann, was
man will. Ich mache neue Entdeckungen und Erfahrungen bey meiner jetzigen Arbeit, die mir für eine
zukünftige die Sache erleichtern und sie erweitern lassen werden. So ist jede Arbeit, wenn sie recht ist,
immer nur ein Studium zu der nächsten, und es hört dieses Treiben nie in uns auf, das denn am Ende, wenn
es zu einer gewissen Höhe gereift ist, auch Andre mit ergreifen, wenigstens anziehen muß. Ich bin nicht
darum besorgt, daß ich nicht sollte mit der Zeit, nicht allein für mich zu etwas Tüchtigen gedeihen, sondern
auch auf Andre in ebenaem Sinne würken können. Es liegt ein Blindheit jetzt über den Kunstverständigen,
die man bey näherer Kenntniß immer unbegreiflicher findet; sie wollen etwas machen, nicht damit es
Vergnügen erwecke, daß es genossen werde, sondern damit sich darüber raisonniren läßt. Das ist, wie das
Wetteifern der englischen Metall -Knopfmacher um Wohlfeilheit, das ich in Hamburg erlebt habe, wo sie
zuletzt Knöpfe ohne Oehr machten, auf daß damit gehandelt würde, nicht daß sie eben auch getragen
werden könnten.
Im Uebrigen ist mir, als wenn der Zustand, worin ich bin, ewig so fortdauern müßte; ich kann keinen Funken
Hoffnung fassen, und doch ist es vielleicht alles nicht so, sondern gra.de die Stimmung, in der ich jetzt
arbeiten muß, erfordert nur, daß es so seyn müsse; es mag bloß an mir liegen, daß es nicht anders ist, aber
ich kann nicht aus mir heraus. Wie soll das auch geschehen? Ich muß mich darin schicken, so gut ich kann;
ein jeder hat am Ende sein Schweres zu tragen, und dies ist das meine.
-Ich habe von Bassenge's niemand wieder gesprochen, weiß es auch nicht zu machen; ich kenne niemand
von der Familie sonst, als sie gradezu selbst. Ich kann den Leuten nicht Unrecht geben, weil sie mich nicht
so kennen, wie ich sie, und es liegt auch eben kein Mittel vor der Hand, um sie über mich klar zu machen. Es
ist zwar recht gut, daß man, auch ohne grade das liebste Glück zu erreichen, zu etwas in der Welt und in der
Kunst gedeihen kann, aber es ist doch auch sehr unlustig und unbequem, und wer es wissen will, der
versuche es einmal, ohne Hoffnung zu leben ---.
Alle Rechte vorbehalten.
URL dieser Ressource: http://ask23.de/resource/por/por_02_bvr_1802_07
Das ist die Originalversion der Ressource: Verfügbar gemacht von christiane am 2009-10-22, Hashwert da39a3ee5e6b4b0d3255bfef95601890afd80709