Anja Bischoff
FAQ
frequently asked questions on art
Kann heute eigentlich alles Mögliche Kunst sein? Was bedeutet dieser Begriff dann noch? Wozu überhaupt Kunst? Und was bringt sie mir? Fragen über Fragen...
Neugierde, Verunsicherung, Skepsis und Faszination - bei der Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst reagiert jeder etwas anders!
Diese Führung soll eine Grundlage bieten, um im gezielten Befragen von Beispielen aus der Ausstellung eigene Sichtweisen und Interessen zu formulieren und dabei alte Gewissheiten neu zu überprüfen. Lassen Sie sich auf Abwege und Umwege in der Ausstellung entführen! Entdecken Sie Ihre Möglichkeiten und Grenzen bei der Annäherung an den Suchbegriff Kunst im Gespräch!
1. Grundidee des Konzepts/ Absichten/ Zielvorstellungen
subvision verwirklicht ein Zusammentreffen internationaler Künstlerinitiativen, deren Arbeitsweisen und Strategien der Präsentation und Distribution von Kunst sich außerhalb etablierter Institutionen und kommerzieller Strukturen bewegen.(1)
Dies kann ganz besonders dazu geeignet sein, die Art und Weise der eigenen Kunstbetrachtung zu reflektieren und damit generell über das ästhetische Potential von Dingen nachzudenken.
An ausgesuchten Ausstellungsobjekten wird die Kommunikation zwischen Kunstwerk und Betrachter durch das gemeinsame Formulieren von Fragen angeregt. Die eigene gesellschaftlich geprägte, konventionelle Haltung zur Kunst wird überprüf- und dadurch veränderbar. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Werk erst im Wechselspiel der Eigenheiten einer Arbeit, seiner äußeren Präsentation im Ausstellungskontext, der Perspektive des jeweiligen Betrachters und des vermittelnden Kommentars als solches sichtbar und existent wird.
Insofern kann es nicht ausreichend sein, wenn der Vermittler die Kunstobjekte lediglich in vorgegebene Sinnzusammenhangssysteme einzuordnen versucht und dadurch die Kunst konsumierbar macht. Stattdessen kommt es gerade bei zeitgenössisch engagierter Kunst darauf an, mögliche neue Lesarten ausgehend von den spezifischen Interessen der Betrachter durch gemeinsames Befragen der Objekte zu entwickeln. Von daher vollzieht sich die Führung als ein performativer Akt, in welchem Produktion, Präsentation und Rezeption als Grundparameter der gesellschaftlichen Wirksamkeit von Kunst bewusster gemacht werden. Dabei wird deutlich, welche Möglichkeiten und Grenzen das Sprechen über Kunst für deren Verständnis und Bedeutung haben kann und wie durch den Dialog Gedanken angeregt und geklärt werden.
Ablauf der Führung:
Schritt 1: Warum bin ich hier? Oder: Erwartungen und Befürchtungen
Bei der Begrüßung lädt der Vermittler die Gruppenteilnehmer ein, in der bevorstehenden Führung gemeinsam den eigenen Kunstbegriff zu überprüfen:
Häufig werde ich beim Zuhören oder bei Gesprächen über Kunst das Gefühl nicht los, dass trotz effektvoller Verbalakrobatik nur vage Eindrücke unverständlich formuliert werden. Ich stand auch schon das eine oder andere Mal als Seminarteilnehmer voller Beklemmungen vor einer Arbeit und fühlte mich von erbarmungslos bohrenden Seitenblicken zu einem Kommentar genötigt. Dann konnte ich nur hoffen, dass mir etwas Geistreicheres einfallen würde als: Hm, ganz schön! oder Das sagt mir gar nichts!. Oder wäre es vielleicht viel besser einfach zu schweigen?
Für mich hat sich herausgestellt, dass es mich ganz und gar nicht weiterbringt irgendwie kompliziert und phrasenhaft um den heißen Brei peinlich herum zu reden. Aber in Demut schweigsam stundenlang andächtig vor Werken zu verharren, aus Angst etwas Falsches, Unangebrachtes oder Dummes zu sagen, will ich auch nicht.
Zwei Dinge machen meines Erachtens nach das Sprechen über Kunst so schwer: Erstens prasseln während der Rezeption häufig viele Eindrücke gleichzeitig auf mich hernieder. Daraus ergibt sich der Drang, alles gleichzeitig aussprechen zu wollen. Doch Worte müssen nun mal linear nacheinander gesagt werden, um überhaupt Sinn zu machen.
Abgesehen von dieser Schwierigkeit bin ich mir zweitens oft nicht sicher, welche Haltung gegenüber der Kunst in der jeweiligen Situation angebracht ist. Gründe dafür können sein, dass ich nicht weiß, was das ganze Spektakel überhaupt mit mir zu tun hat oder ich mich auf Grund von fehlendem Vorwissen über Künstler und die ausgestellten Arbeiten als zu unqualifi ziert für einen Kommentar empfinde. Darüber hinaus frage ich mich, wozu das Zeug überhaupt gut ist und wieso es sich Kunst nennen darf. Aber all dies sage ich natürlich nicht laut, weil eine innere Stimme mich warnt: Vielleicht stellst Du auch einfach nur die falschen Fragen!
Wenn auch Ihnen das Gefühl nicht fremd ist, Ihre Kunstorientierung spätestens da verloren zu haben, als Joseph Beuys seine Fettecken zusammenpappte, hilft es vielleicht weiter, wenn wir gemeinsam unsere individuellen Kunstbegriffe unter die Lupe nehmen. Durch einen unbeschwerten und unvoreingenommenen Blick auf die Gegenwartskunst können Sie entdecken, dass jede Arbeit und jede künstlerische Idee Sie zur Beschäftigung mit Ihrem Kunstbegriff geradezu auffordert.
Wenn Sie sich auf diese Herausforderung einlassen, geht es letztlich nicht darum, herauszufi nden, was der Künstler wollte, sondern darum, wie Sie am Besten Ihre eigenen Erfahrungen mit Kunst machen und Ihren Standpunkt fi nden können. Die Frage, wo Sie jetzt und hier stehen lässt sich zumindest in Bezug auf den topographischen Aspekt schon mal klären. Dazu möchte ich Sie an dieser Stelle kurz mit ein paar Informationen zu subvision, dem Ausstellungsort und -konzept versorgen.
Schritt 2: Wo bin ich hier? Oder: Annahmen und Behauptungen
Nach kurzen allgemeinen Hinweisen zu subvision, fährt der Vermittler fort:
Gerade bei subvision ist eine intensive Beschäftigung mit dem Kunstbegriff erforderlich, da dort - jenseits etablierter Positionen und kommerzieller Motivationen - ein Forschungsraum für neue Ausstellungs- und Vermittlungsformate geschaffen wird. Dabei werden auch herkömmliche Kunstbegriffe in Frage gestellt, deren Untersuchung wir gemeinsam unternehmen wollen.
Entspricht es eigentlich Ihren Erwartungen hier in der Ausstellung mit sehr
ungewohnten Kunstvorstellungen konfrontiert zu werden? Oder haben Sie möglicherweise ganz andere Erwartungen?
[Kurze Diskussion]
Was immer Sie hier erwarten mögen, sicher wird man unterstellen dürfen, dass Sie auf jeden Fall glauben, es hier mit Kunst zu tun zu bekommen. Schließlich sind Sie ja extra dafür hergekommen. Vielleicht rechnen Sie zwar durchaus damit, dass Ihnen hier nicht alles (etwa die Ausstellungsarchitektur, die Arbeiten, die Auswahl der Initiativen,...) gleich gut gefallen wird. Die Tatsache aber, dass dies hier ein Kunstfestival sein soll, wird zumeist nicht in Frage gestellt werden. Das Vertrauen in die Kompetenz der Kuratoren als Kunstexperten reicht normalerweise aus, um einfach davon auszugehen: Hier gibt es Kunst entsprechend des provokativen Mottos des Malers und Graphikers K.O. Götz: Kunst ist das, was in Museen und Galerien hängt.
In der nachfolgenden Führung werde ich das eine oder andere weitere Zitat kluger Menschen zum Besten geben, die sich bereits vor uns mit der Frage Was ist Kunst? unter verschieden Gesichtspunkten beschäftigt haben. Vielleicht mögen solche Gedanken als Provokation oder Orientierung generell hilfreich sein. Oder sie können zur Veranschaulichung von abstrakten Sachverhalten dienen. Aber es ist eher fraglich, ob durch solche Zitate Ihre speziellen Interessen genügend berücksichtigt werden. Die Führung soll Ihnen jedenfalls Gelegenheit bieten, sich diese bewusst zu machen, indem wir die aus Ihrer Perspektive wichtigen Fragen zur Kunst gemeinsam herauszufi nden versuchen.
Schritt 3: Wieso ist das Kunst? Oder: Alte Gewissheiten in Frage stellen
Um die Selbstverständlichkeit zu hinterfragen, dass alles, was es in Kunstausstellungen zu sehen gibt, automatisch für Kunst zu halten sei, begibt sich die Gruppe nun zu einer möglichst unkünstlerisch aussehenden Arbeit. Diese wird vorab danach ausgewählt, dass sie auf den ersten Blick, zum Beispiel aufgrund ihrer hochgradigen Unbestimmtheit, zur Überprüfung der Klassifizierung als Kunst auffordert.
Wie kommt es eigentlich, dass wir diese Sache von vornherein als Kunst anschauen?
Die von den Ausstellungsmachern im Festivalkontext vorgegebene Brille, es handle sich hier bei allem um Kunst, soll abgenommen werden, um zu erörtern, unter welchen Gegebenheiten und aus welchen Gründen es zur Kategorisierung und Wahrnehmung als Kunst kommt. Dazu soll die vielleicht etwas überraschende Frage verhelfen: Als was könnte man dieses Objekt denn sonst anschauen, außer als Kunst? [ausführliche Erörterung]
Um eine Grundlage für die weitere gemeinsame Betrachtung der Ausstellung zu schaffen, zieht der Vermittler aus der Besprechung folgendes Fazit:
Wir haben uns darüber ausgetauscht, unter welchen Voraussetzungen wir Kunst als solche wahrnehmen, sie identifizieren und in die Schublade Das soll wohl Kunst sein! einordnen. Wir wissen jetzt also, welche Umstände dazu führen, dass wir Dinge erst einmal als Kunst betrachten; als etwas anderes scheinen sie nämlich wenig, oder keinen Sinn zu machen.
Aber unabhängig davon besteht die Problematik darin, dass uns auch die Arbeitshypothese Kunst noch längst nicht garantiert, dass dem Einzelnen die Auseinandersetzung mit einer Arbeit tatsächlich etwas bringt und er nicht nur passiv ihren Kunstwert bewundert.
Schritt 4: Wozu Kunst? Oder: Die Funktion gesellschaftlicher Konventionen
Andererseits eröffnet gerade die Möglichkeit, die Exponate nur hypothetisch als Kunst anzuschauen, eine neue Freiheit, die es erlaubt, die Arbeiten entlastet von der Kunstfrage nach eigenen Interessen zu befragen. Um diese Absicht in die Tat umzusetzen, greift der Vermittler auf ein anerkanntes Kunstwerk zurück, aber benutzt dieses als ein bloßes Hilfsmittel. Er legt nun eine Konstruktion von zwei leichten, mit Papier bespannten Platten an, die auf der Vorder- und Rückseite des Körpers getragen wird und ihn zur wandelnden Litfasssäule macht.
Damit bezieht er sich auf den Sandwich-Man des bekannten französischen Künstlers Daniel Buren, mit dem dieser schon Ende der sechziger Jahre operierte, um die besonderen Charakteristika eines Ortes zu reflektieren.
Daniel Buren definiert ein Kunstwerk nicht als ...ein Ding, das es zu sehen gibt, sondern als eine Sache, die das Sehen erst erlaubt. Der 1938 geborene Künstler gilt als Vertreter der analytischen Malerei und Konzeptkunst. Man kann sagen, dass er als einer der ersten Off-Künstler anzusehen ist und der Frage nach der gesellschaftlichen Funktion und Bedeutung von Kunst nachging. Er arbeitete hauptsächlich im öffentlichen Raum, was sein Bestreben verdeutlicht, direkt in soziale Lebenszusammenhänge einzugreifen.
Auch bei Buren taucht die Frage auf, wo und wie Kunst als solche wahrgenommen wird und welche Funktionen gesellschaftliche Konventionen für die Bedeutung von Kunst haben. Wo bieten diese Konventionen einen Rahmen, der Kunst überhaupt erst gesellschaftlich vermittelbar macht? Oder auch umgekehrt: Wo führt erst der Bruch mit denselben durch Kunst zur Wahrnehmung ihrer Existenz?
In Anlehnung an diese Idee der wechselseitigen Beeinflussung von gesellschaftlichen Konventionen und Kunst soll den Teilnehmern eine Grundlage für ihre eigene Reflexion über Kunst und deren Wirksamkeit in ihrer eigenen gesellschaftlichen Realität bieten. Im weiteren Verlauf der Führung dient der Vermittler/Sandwich-Man den Teilnehmern als Schreibunterlage, um darauf in diese Richtung zielende Fragen mit - je nach Arbeit - unterschiedlich farbigen Filzmarkern zu protokollieren.
Das Stellen von Fragen ist dabei nicht gleichbedeutend mit einem Defizit an Antworten aufgrund mangelhaften Kunstverständnisses anzusehen, sondern vom Vermittler als lustvoller, positiver Impuls vorgesehen. Die angestrebte dialogische Auseinandersetzung mit den Arbeiten und seine eigene kommentatorische und moderierende Funktion erläutert der Vermittler durch ein an Goethe angelehntes Zitat des Kunsthistorikers Wladimir Weidlé: Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen; sie ist nicht das Unaussprechliche selbst. Vielen entzieht sich diese Einsicht, weil sie nicht bereit sind anzuerkennen, dass ein Kunstwerk auf etwas hinweist, was es selbst nicht ist.
Ganz konkret veranschaulicht zum Beispiel René Magritte diesen Sachverhalt mit seinem Bild La trahison des images/(Der Verrat der Bilder), auf dem eine Pfeife abgebildet ist, unter der zu lesen ist: ceci nest pas une pipe - also: dies ist keine Pfeife! Denn lässt sich diese Pfeife stopfen? Natürlich nicht! Sie ist nur eine Darstellung. Auch das Abbild einer Marmeladenschnitte ist ganz gewiss nichts Essbares.
Über Kunst lässt sich also wunderbar sprechen, solange nicht versucht wird, die ästhetische Erfahrung selbst mit Worten zu fassen, sondern sie im o.g. Sinn als Vermittlerin zu begreifen. Von dieser Funktion als Vermittlerin kann das Publikum allerdings nur profi tieren, wenn jeder es unternimmt, seine eigenen Gedanken zu formulieren und dabei die Grenzen des Beschreibbaren erfährt. Das Sprechen über Kunst bedeutet dann nichts weiter, als diese Vermittlerin sich selbst und anderen immer wieder als eine solche vermittelbar zu machen.
Schritt 5: Was bringt mir das? Oder: Fragen über Fragen
Im weiteren Verlauf der Führung gibt der Vermittler der Gruppe bei jeder Station sowohl ausreichend Zeit, die Arbeit auf sich wirken zu lassen, als auch anschließend über den ersten Eindruck hinausgehende Hinweise und Hintergrundinformationen. Anhand einiger ausgewählter Beispiele wird ein Brainstorming mit den Teilnehmern initiiert. Es gilt herauszufi nden, welche Fragen sich aufdrängen - für die ganze Gruppe und/oder für einzelne Teilnehmer. Beispielsweise kann darüber gesprochen werden, aus welchen Gründen besonders überraschende oder besonders nahe liegende Fragen in den Raum gestellt werden. Der Bezug zum einzelnen Betrachter und dessen persönlichem Interesse an seinem Umgang mit dem ausgestellten Objekt soll jetzt jedenfalls im Vordergrund stehen und auf eine zwanglose Art und Weise ins Gespräch einfließen.
Ziel ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der das aktive Sprechen über Kunst den Betrachtungsspielraum der Teilnehmer erweitert. Der Kunstvermittler achtet bei der Moderation des Gesprächs darauf, dass die Fragen als Fragen stehen bleiben dürfen [Wenn die Teilnehmer von sich aus keine Fragen stellen, muss er gegebenenfalls die Personen direkt ansprechen]. Zusätzlich wird versucht die aufkommenden Fragen durch Rückfragen zu präzisieren, bevor sie auf dem Sandwich-Man notiert werden, um den Teilnehmern dazu zu verhelfen, ihre Interessen besser erkennen und artikulieren zu können.
Auch der Vermittler selbst spricht in Fragen, vermeidet Urteile und Interpretationen und lenkt die Konzentration auf die Suche nach der Relevanz der künstlerischen Prozesse.
Die Suche nach Antworten wird in den Hintergrund gestellt. Als Moderator gibt der Vermittler immer wieder Anstöße, die das Ideenspektrum erweitern und das Gespräch temporeich nach vorne treiben. Die Pointe der Befragungsaktion, dass es keine Masterfrage/Masterantwort als Zugangsschlüssel zu einer Arbeit gibt, sollte stets deutlich werden.
Auf die Eigendynamik des Gesprächs reagierend, kann der Moderator auch seine eigenen vorbereiteten Fragen ins Spiel bringen. Diese könnten, je nach dem was sich anbietet, beispielsweise lauten:
Inwieweit gibt es hier etwas Neues zu sehen? Erinnert mich das hier an etwas aus meinem Alltag? Finde ich das moralisch vertretbar? Passiert hier gerade überhaupt etwas? Fühle ich mich unterhalten? Kann man sagen, dass es gut oder schlecht ist? Braucht das Kunstwerk mich als Betrachter? In wie weit hat das hier etwas mit Politik, Religion, Sex oder Tod zu tun? Darf ich mich hier langweilen? Kann man das kaufen? Bin ich jetzt verwirrt oder sogar überfordert? Warum? Hat das etwas mit Ästhetik zu tun? Kann man das benutzen? Was hat das hier in einer Ausstellung zu suchen? Kann ich hier mitmachen? Soll ich was tun? Was soll ich tun? Von diesen allgemein gehaltenen Fragen ausgehend, besteht die Möglichkeit, spezifisch in die Tiefe zu gehen und herauszufinden, ob die Fragen sich für die Findung von befriedigenden Antworten eignen: Wofür ist diese Frage interessant? Warum drängt sich diese Frage auf? Ist diese Frage Ausdruck meines persönlichen Interesses oder stellt sie sich nur aufgrund von Konventionen? Was interessiert MICH wirklich?
Sofern die Künstler anwesend sind, können sie an der jeweiligen Brainstorming-Befragung selbst teilnehmen und die Überlegungen der Gruppe ergänzen/erweitern.
Schritt 6: Wie geht es jetzt weiter? Oder: Zwischen Sprachlosigkeit und Geschwätz
Schließlich findet die Führung ihren Abschluss mit einer Besprechung der hoffentlich gut gefüllten Sandwich-Platten in einem ruhigeren Teil des Geländes, wo die Teilnehmer in einem vorbereiteten Sitzkreis oder um einen Tisch Platz nehmen.
Es wird gemeinsam versucht, die Fragen thematisch zu ordnen und die Kernfragen des Interesses der Anwendung von Kunst herauszufinden. Dann teilt der Vermittler - zumindest auf einer Seite unbedruckte - Stofftaschen aus. Hierauf können die Teilnehmer mit Textilmarkern jeweils ihr bevorzugtes Interesse in Fragen- oder Thesenform notieren.
Indem die Statements auf diese Weise auch nach der Führung sichtbar bleiben, werden sie nun selbst Bestandteil der Ausstellung. Sie können die Kunstwahrnehmung anderer Besucher beeinflussen und auch diese dazu anregen, eigene Fragen zu formulieren.
Der Vermittler entlässt die Teilnehmer mit einem Resümee, wobei er zwar besonders auf die Bedeutung des Gesprächs eingeht, ohne welches jede Kunst zum toten Einrichtungsgegenstand wird, aber auch zu bedenken gibt:
Mit dem Sprechen über Kunst verhält es sich, wie mit dem Sprechen über alle anderen Belange und Beziehungen im Leben. Man muss nicht über alles sprechen - manche Dinge werden auch totgeredet oder durch floskelhafte Plattitüden zur Belanglosigkeit abgewertet - dadurch wurde noch nie etwas gewonnen.
Und manchmal tut es einem Diskurs auch gut, keine Meinung zu haben und - an Stelle von Reden aus purem Mitteilungsbedürfnis - sich zurück zu halten.
So wenig wie aber verbitterte Sprachlosigkeit uns im Leben weiter bringt, so gering ist auch die Möglichkeit, ohne Dialog näher an die Kunst heranzukommen. Die herausgefundenen Aussagen sollen Sie auch in Zukunft an Ihre Auseinandersetzung mit Kunst erinnern. Doch stets werden Sie feststellen, dass keine Frage für ein Kunstwerk endgültig zu beantworten ist, da immer auch die rahmenden Umstände der Auseinandersetzung ihren Einfluss haben. Also ist hier wohl die Auseinandersetzung, das Fragen selbst - und nicht die Antwort - als unser eigentliches Ziel und als der Sinn von Kunst zu betrachten.
Ob etwas tatsächlich Kunst ist, oder wodurch es zur Kunst wird, ist also eine Frage von relativer Bedeutung. Der eigentliche Motor der Auseinandersetzung besteht vielmehr in dem, was einen selbst an einer Sache und ihren Umständen interessiert. Unsere zu Anfang aufgestellte Arbeitshypothese Wir betrachten die Ausstellung vorläufig als Kunst hat uns also berechtigt und die Möglichkeit gegeben, unsere eigenen Interessen im Hinblick auf die ausgestellten Objekte zu entdecken. Erst dadurch kann die Arbeitshypothese Kunst zur Gewissheit werden.
Rahmenbedingungen
Gruppengröße: Es ist zu erproben, mit welcher Gruppengröße sich dieses Konzept sinnvoll durchführen lässt. Angedacht ist eine Teilnehmerzahl von 10-15 Personen.
Flexibilität: Der Vermittler sollte bei der Moderation auf die Vorerfahrung der Teilnehmer - auch in gemischten Gruppen - eingehen können. Die in diesem Konzept in wörtlicher Rede ausgeführten Gedanken werden in der konkreten Führungssituation paraphrasiert und der jeweiligen Vorerfahrung der Gruppe entsprechend angepasst vermittelt.
Dauer: Angedacht ist eine Führungsdauer von ca. 60 Minuten. Es ist zu testen, ob diese Dauer je nach Länge der Wege realistisch ist und wie viel Zeit die einzelnen Kunstwerke in Anspruch nehmen. Angedacht ist jeweils nur ein kurzes Brainstormig von ca. 5-8 Minuten, sodass insgesamt ca. 4-5 Kunstwerke vorgestellt werden. Vermutlich muss sich der Vermittler hier spontan auf die Kondition der Gruppe und die evtl. Anwesenheit und Teilnahmebereitschaft der Künstler einstellen können.
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(1) vgl. PRESSEMITTEILUNG subvision. kunst. festival. off.
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