Adolf Hölzel
Einer der frisch und frei alles


Einer der frisch und frei alles heraussagt(burschikos) nennt man einen geraden Michel. Es giebt Menschen, die unter dieser Marke böswillig sind wie Freund S. Es ist ein falscher Michel[.] Man sagt mir gerne nach ich sei hochmütig[,] und da ungern Jemandem etwas Unangenehmes sagen möchte: ich sei falsch. Es ist aber unmöglich mit Menschen[,] die in einen Gegenstand den man liebt nicht eingedrungen sind, länger und eingehender darüber zu sprechen oder den Unsinn[,] den sie sagen[,] anzuhören. Andererseits ist es als Zeitverlust zu betrachten, sich in längere Gespräche zu verwickeln, die Einen nicht interessiren. Beides kann missverstanden als Hochmut gedeutet und ausgelegt werden, während man gar nicht daran denkt, sich zu überheben. Einiges Nachdenken würde dem Anderen sofort das Richtige sagen: Hat es nicht etwas von Komik, wenn Jemand[,] der sich kaum mit einem Gegenstand beschäftigt hat, von Eindringen keine Rede, Jenen belehren will, der dessen gründliche Erforschung als Lebensaufgabe betrachtet? Ein leises ungewolltes Staunen darüber, mag dem Anderen widerwärtig sein und kann dann von ihm zu seiner Rechtfertigung als Hochmut oder sonstwie ausgelegt werden; und wird dann so weiterverbreitet. Man ist damit, entweder weil einem das richtige Wort zur Entgegnung fehlt oder man müssigen Streit vermeiden will, nach überangestrengter Thätigkeit auch die Kräfte leicht versagen und Trägheitsmomente eintreten, nie vor falschen Anschuldigungen sicher, darf sie auch nicht, obwohl sie ein gefährliches Gift sind, als zu grosse Kränkung erfassen, was vielleicht wieder als Hochmut ausgelegt werden könnte. Ich halte z.B. Vorträge die viele Gegner haben. Es sind solche Menschen, die entweder nicht in den Vorträgen waren, oder nur einzelne Bruchstücke kennen. Sie könnten leicht anderer Meinung werden, und die Notwendigkeit dieser Vorträge als Grundlage für spätere Auseinandersetzungen vor der Natur oder vor künstl. Arbeiten erkennen, wenn sie öfters zuhören würden oder sich einiges erfragen würden. Da ihnen dies begreiflicherweise lästig ist, schweigen sie nicht etwa, sondern ziehen es vor[,] ihre ungeklärte Meinung bei allen möglichen Gelegenheiten auszuspielen und das Werk der Anderen lächerlich zu machen und anzugreifen. Es sind das nicht etwa wirklich dumme Menschen[.] Diese fühlen sich aber in ihrem Ehrgeiz besonders gekränkt, wenn es sich klar herausstell[,] dass sie in bestimmten Fällen sich als dumm erwiesen haben. Dann muss dem Anderen als Ausgleich wenigstens etwas Anderes nachgesagt werden. Hochmut oder Aehnliches, wenngleich er seiner Meinung nach, nur um nicht zu schweigen[,] ganz bescheidentlich entgegnet hat. Schweigt er aber, oder ist sonst höflich[,] um Anderen die kleinste Kränkung zu ersparen oder weil ein Menschenleben nicht in wenigen Minuten klargelegt werden kann, oder weil man in anderer Beziehung vor dem Gegner Hochachtung hat, so wird dies als Falschheit ausposaunt. Manchem macht man's nie recht[,] also immer falsch. Es wird dabei vergessen. dass bei wirklicher Falschheit immer gleichzeitig eine böswillige Absicht vorhanden ist. So könnte es auch eine ehr[linker Rand, quer]liche Falschheit geben, die man zu den guten Eigenschaften rechnen muss! Es liesse sich noch Vieles darüber sagen.
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