Adolf Hölzel
Geben wir zu, dass wir doch nur das, was wir gründlich


Geben wir zu, dass wir doch nur das, was wir gründlich beherrschen, wirklich verstehen können, dann erhellt daraus, wie wenig wirkliches Verständniss unter den Menschen zu finden ist. Denn wie selten finden wir ein gründliches Beherrschen einer Sache oder von irgendetwas! Es ist desshalb für einen schaffenden Künstler unmög1ich, in der Kunst alle Richtungen zu begreifen, da es wohl unmög1ich für einen Menschen ist[,] sie alle gründlich durchzuarbeiten. Um wie viel weniger ist es aber für solche mög1ich, die nicht selbst künstlerisch, geistig und handlich thätig waren, in eine Sache von Kunst voll einzudringen. Daher die vielen einseitigen, oft brutalen und meist ganz verständnisslosen Urtheile mit ihren entsetzlichen Folgen. Diese Oberflächlichkeit, mit der so viel Unheil angerichtet wird und wurde, ist in der Regel die Folge einer grenzenlosen Einbildung oder aber des Zwangs[,] als Inhaber einer bestimmten[,] oft leitenden Stellung[,] ein scheinbar sicheres Urtheil abgeben zu müssen. Und wie wenige Menschen werden gerne öffentlich ihre eigentlich vollkommene Unwissenheit bekennen, was ja anständigerweise mit der Aufgabe ihrer Stellung verbunden sein müsste.
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